Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Verweigerung.«
    Sie überlegte einen Augenblick, ehe sie nachdenklich fortfuhr:
    »Allerdings erinnere ich mich da an ein ganz bestimmtes Buch …«
    »Welches Buch?«
    Monique stand auf.
    »Ich glaube, wir haben es immer noch.«
    Hastig ging sie davon. Passan warf einen Blick auf die Uhr. Halb sechs. Er durfte nicht mehr allzu lange bleiben. Ein Blick auf sein Handy zeigte ihm, dass Naoko angerufen hatte. Schon zum fünften Mal an diesem Tag. Sie wollte wissen, ob es Fortschritte bei den Ermittlungen ergeben hatte, ob er pünktlich bei den Kindern sein könne und ob die Polizei in der Rue Cluseret Wachen postiert hätte.
    Der Kies knirschte. Monique kam zurück. Ohne sich zu setzen, hielt sie ihm ein Buch vor die Nase, das er sofort erkannte: Fünfzehn Legenden aus der Mythologie , erschienen bei Gautier-Languereau.
    »Er hat es immer mit sich herumgeschleppt«, berichtete die Erzieherin. »Als er das Heim verließ, hätte er es gern mitgenommen, aber wir haben ziemlich strenge Vorschriften, was das Inventar angeht. Ich hätte es ihm überlassen, aber ich war gerade auf einer Dienstreise in Nordfrankreich. Nachschicken konnte ich es nicht, weil wir nicht wissen dürfen, wo unsere Zöglinge im Anschluss untergebracht werden.«
    Vorsichtig blätterte Passan in dem Buch herum. Das dicke Papier und die Illustrationen von Georges Pichard gefielen ihm. Trotz der langen Zeit waren die Seiten noch schneeweiß. Der Schutzumschlag zeigte einen bärtigen Athleten, der geradewegs aus den Filmstudios von Cinecittà zu stammen schien, vor einem Schiff im Hintergrund. Vermutlich Odysseus oder Jason.
    Passan spürte einen Kloß in der Kehle. Auch er hatte ganze Nachmittage damit verbracht, diese Legenden zu verschlingen. Er sah sich wieder mit einer Tüte Pfefferminzbonbons hoch oben auf einem Baum sitzen, wo er ungestört in die fantastischen Geschichten eintauchen konnte.
    »Darf ich es behalten?«
    »Kein Problem.«
    Passan stand nun ebenfalls auf.
    »Danke, Monique.«
    »Willst du schon gehen? Wir könnten zusammen noch etwas trinken.«
    »Vielen Dank, aber ich muss heim. Ich bin heute Abend allein mit den Kindern.«
    »Wie geht es den beiden?« In jeder Mail fragte sie nach ihnen. »Hast du ein paar Fotos neueren Datums dabei?«
    Zwar hatte Passan sein ganzes iPhone voll damit, doch er zog es vor, zu einer Notlüge zu greifen. Seine harte Schale war bereits ziemlich angekratzt. Nicht gerade die beste Voraussetzung für fröhliches Familienleben.
    »Leider nein.«
    Er gab Monique einen Kuss und verabschiedete sich mit einer weiteren Lüge:
    »Ich komme bald wieder.«
    »Sicher«, antwortete sie leichthin. »Viel konnte ich dir ja nicht gerade sagen. Hilft es dir denn wenigstens weiter?«
    Er betrachtete das Buch, antwortete aber nicht.
    »Wir tun hier wirklich unser Möglichstes«, fuhr sie fort. »Aber vieles ist schon im Vorfeld festgelegt.«
    Sie brach ab. Der warme Wind wirbelte goldenen Staub auf.
    »Denke immer daran, Olivier«, nahm sie schließlich den Faden wieder auf. »Alles ist festgelegt, und zwar seit allerfrühester Kindheit. Das gilt für ihn, für dich und für euch alle.«

33
    Guillard stand hinter den Fahrzeugen der E- und S-Klasse verborgen und beobachtete die merkwürdigen Vorgänge, die sich auf dem Parkplatz vor der Niederlassung abspielten. Ein Mann mit grauer Schirmmütze war in einer äußerst noblen schwarzen Audi-Limousine vom Typ A6 vorgefahren, auf deren Dach sich ein Blaulicht drehte. Der Mann stieg aus, ging zu den beiden Wachposten und forderte sie mit einer Handbewegung auf, zu verschwinden. Die beiden Typen gehorchten sofort und ohne Widerrede. Nun stand der Mann auf dem Parkplatz und zündete sich eine Zigarette an, als hätte er die Ablösung der Überwachung übernommen.
    Wer mochte wohl dieser Bulle sein? Ein neuer Ermittler? Ein von Passan beauftragter Berufskiller? Nein, das war nun wirklich übertrieben. So schlimm ging es bei der französischen Polizei nicht zu. Trotzdem schrillten bei Guillard alle Alarmglocken. Immerhin war sechs Uhr längst durch. Er hatte seine Angestellten schon vor einiger Zeit nach Hause geschickt und befand sich allein in der Niederlassung.
    Schweißperlen rannen über seinen Rücken. Nicht der Schweiß der Fitnessstudios, sondern der aus der Kindheit, wenn er im dunklen Schlafsaal lag und sich vor den Angriffen der anderen fürchtete. Er dachte an seinen Chauffeur und an die Waffe, die er versteckt in seinem Safe aufbewahrte, doch er bewegte sich nicht. Als

Weitere Kostenlose Bücher