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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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hätte der Neuankömmling ihn hypnotisiert.
    Der Mann lehnte noch immer ruhig an seinem Auto und rauchte. Er war untersetzt und wirkte von Kopf bis Fuß grau. Das viereckige, ausdruckslose Gesicht erinnerte an einen Hohlblockstein. Er hielt sich leicht gebeugt und trug gebrauchte Militärklamotten, die ein wenig zu reichlich für ihn waren. Ein Raubtier der Großstadt, das aus Abgasen, Schmutz und Staub eine Art Unverwundbarkeit erhielt. Er schien um die fünfzig zu sein, streifte also grob gerechnet schon etwa dreißig Jahre durch die Straßen.
    Endlich warf der Kerl seine Kippe weg und kam langsam auf Guillard zu. Selbst auf diese Entfernung spürte sein intuitives Ich – sein weiblicher Teil –, dass der Mann gefährlich war.
    Hastig griff er nach der Fernbedienung, mit der er die Gitter hinunterlassen konnte, doch es war zu spät. Sein Besucher hatte ihn entdeckt und fragte mit einer Geste, ob er hereinkommen dürfe. Widerstrebend schloss Guillard die Eingangstür auf. Der Fremde betrat den Showroom wie ein verspäteter Kunde.
    Die beiden Männer musterten einander. Die Stille der großen Halle mit den vielen Wagen hatte etwas Sakrales. Der lackierte Betonboden glänzte unter den letzten Sonnenstrahlen.
    »Jean-Pierre Levy«, stellte sich der graue Mann vor. »Ich bin Hauptkommissar bei der Pariser Kriminalpolizei und leite die Ermittlungen im Mordfall Leila Moujawad.«
    Guillard griff nach der Visitenkarte, die ihm der Graue hinhielt, und betrachtete sie einige Sekunden lang. Seine Finger hinterließen Schweißspuren auf dem Karton. Er musste daran denken, dass die anderen Kinder ihn früher »Nacktschnecke« gerufen hatten.
    Wortlos steckte er die Karte schließlich ein. In gewisser Weise fühlte er sich erleichtert. Tief in seinem Innern hatte er tatsächlich geglaubt, dass sein Feind fähig war, ihm einen Killer zu schicken. Jeder Mensch fürchtete einen Todesengel. Seiner hieß Olivier Passan.
    »Ich darf doch hier rauchen, oder?«, fragte Levy.
    Der Händler antwortete nicht. Levy zündete sich eine Zigarette an. Guillard konnte seine Kaltblütigkeit geradezu körperlich spüren. Die Dreistigkeit war eine Folge seiner natürlichen Stärke – aber da war auch noch etwas anderes.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte er.
    »Bullen beantworten keine Fragen – sie stellen sie.«
    »Nun, dann schießen Sie mal los.«
    »Wir kommt es, dass Sie hier in einem teuren Anzug herumlaufen und nicht im Knast sitzen?«
    Der Phönix entspannte sich. Er hatte einen gezielteren Angriff erwartet. Etwas Konkreteres. Der Bulle bluffte nur.
    »Ganz einfach: Weil ich unschuldig bin.«
    »Nein. Es liegt daran, dass der zuständige Ermittler Mist gebaut hat. Er war weder in der Lage, Indizien sicherzustellen, noch hat er richtig gehandelt, als er dich auf frischer Tat ertappte. Ich kenne Passan sehr gut. Er ist ein intelligenter und hartnäckiger Ermittler, nur leider etwas zu impulsiv. Damit hat er dir geholfen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, Arschloch.«
    Guillard zitterte, als er geduzt und beleidigt wurde.
    »Und Sie? Sind Sie anders?«
    »Ich spiele das Scheißspiel mit. Darin kenne ich mich gut aus.«
    »Will heißen?«
    Die Hitze kehrte zurück. Die Hitze und das Brennen. Doch vor den Augen dieses Mannes durfte er keinesfalls einen Anfall bekommen.
    »Dass du überhaupt noch hier herumstolzierst, liegt nur daran, dass bisher keine Verbindung zwischen dir und deinem letzten Opfer Leila Moujawad gefunden wurde.«
    »Ich rufe jetzt meinen Anwalt an.«
    Er wollte ins Büro, aber Levy versperrte ihm den Weg.
    »Du wirst schön hierbleiben und mir zuhören, Arschloch. Du und ich, wir wissen beide, dass es diese Verbindung gibt.«
    Guillards Körpersäfte schienen zu kochen. Er fühlte sich völlig überhitzt.
    »Sie besteht aus einem Paar Handschuhen der Marke Steritex, beidhändig benutzbar und hypoallergen«, fuhr Levy fort. »An der Außenseite klebt das Blut des Opfers, innen finden sich organische Spuren des Mörders. Abgeschilferte, mit Schweiß verklebte Hautzellen. Auf der einen Seite die DNA des Opfers, auf der anderen die des Mörders. Soll ich weitermachen?«
    Guillard war es, als vermindere der eben eingesteckte Schlag die Gefahr einer neuerlichen Krise. Die innere Anspannung schien sich sozusagen zu verflüssigen und davonzufließen. Er sagte sich, dass alle Krieger fielen, weil sie einen Irrtum begangen hatten. Ihm erging es ebenso, obwohl er göttlicher Natur war.
    »In Stains sind Bullen nicht

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