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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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Tochter. Jeder Verlust fühlte sich an wie eine teuflische, kleine Wunde. Und keiner dieser Tode war fair. Janies Mörder hatte sie alle auf dem Gewissen. Natürliche Todesursache – was für ein Geschwafel!
    Untersteh dich! , war der erste verquere Gedanke gewesen, der Rachel in den Kopf geschossen war, als sie Ed an jenem heißen Morgen im australischen Februar zusammengesunken im Flur gefunden hatte. Und damit meinte sie: Untersteh dich, mich hier allein mit diesem Schmerz zurückzulassen ! Sie wusste augenblicklich, dass er tot war.
    Ein akuter Schlaganfall, hieß es. Aber Ed und ihre Eltern waren an gebrochenem Herzen gestorben. Nur Rachels Herz weigerte sich stur, das einzig Richtige zu tun, und schlug stattdessen immer weiter. Sie schämte sich dafür, so wie sie sich für ihre Lust auf Sex geschämt hatte. Sie atmete, aß, liebte und lebte weiter, während Janie in der Erde verfaulte.
    Mit der Hand wischte sie über den beschlagenen Spiegel und betrachtete ihr verschwommenes Bild hinter den gläsernen Tropfen. Sie dachte daran, wie Jacob sie immer küsste, dabei seine kleinen, dicken Patschhändchen an ihre Wangen drückte und sie mit seinen großen, klaren blauen Augen ansah. Und jedes Mal erfüllte sie dann eine so ungeheure Dankbarkeit, dass ihr faltiges Gesicht sich bei so viel kindlicher Liebe vor Freude erhellte.
    Plötzlich, in einer reflexhaften Bewegung, stieß Rachel an das Glas mit der klobigen Kerze. Es rutschte nach vorn zum Rand des Schrankes, kippelte und fiel dann klirrend zu Boden, wo es in unzählige duftende Vanille-Scherben zerbrach.

15
    Cecilia hatte Sex mit ihrem Mann. Guten Sex. Sehr guten Sex. Sagenhaften Sex! Ja, sie schliefen wieder miteinander. Hurra!
    »Oh, Gott!«, stöhnte John-Paul über ihr. Seine Augen waren geschlossen.
    »Oh, Gott«, erwiderte Cecilia einvernehmlich.
    Es war, als hätte es nie ein Problem gegeben. Sie waren am Abend ins Bett gegangen und hatten sich einander zugewandt, so selbstverständlich wie damals, als sie als junges Paar frisch verliebt gewesen waren und es unvorstellbar gewesen wäre, dass sie jemals nebeneinander liegen und keinen Sex haben würden.
    »Oh, mein Gott!« In seiner Ekstase warf John-Paul den Kopf in den Nacken.
    Und Cecilia stöhnte, um ihm zu verstehen zu geben, dass auch sie im siebten Liebeshimmel war.
    Sehr. Guter. Sex. Sehr. Guter. Sex. Im Stillen wiederholte sie die Worte im Rhythmus ihrer Körper.
    Was war das? Sie spitzte die Ohren. Rief eins der Mädchen nach ihr? Nein. Nichts. Mist, verdammter! Jetzt war die Konzentration dahin. Nur einen Moment lang war sie abgelenkt gewesen, und das war’s. Sie war wieder am Nullpunkt angelangt. Tantrischer Sex wäre die Lösung, zumindest laut Miriam Openheimer. Nun dachte sie auch noch an Miriam. Und damit war es vorbei mit dem Sex.
    »Oh, Gott, oh Gott!« Auch John-Paul schien sich nicht mehr konzentrieren zu können.
    Schwul. Von wegen. So ein Quatsch!
    Die Mädchen, die eigentlich längst hätten schlafen sollen, als sie mit John-Paul nach Hause gekommen war, waren gerade dabei gewesen, ins Bett zu gehen (Cecilias Mutter nahm es mit der Uhrzeit nie so genau). Sie waren völlig aus dem Häuschen gewesen, ihren Vater früher als erwartet zu sehen, und nahmen ihn sogleich in Beschlag. Sie sprangen an ihm hoch, hängten sich an ihn, erzählten ihm von The Biggest Loser, der Berliner Mauer, einem dämlichen Kommentar von Harriet beim Ballett neulich, dass während seiner Abwesenheit nur noch Fisch auf den Tisch gekommen sei und so weiter und so fort.
    Cecilia beobachtete John-Paul dabei, wie er zu Isabel sagte, sie solle sich mal umdrehen, damit er ihre neue Frisur bewundern konnte, konnte aber nichts Außergewöhnliches an seinem Gesichtsausdruck feststellen. Er war erschöpft vom langen Flug, hatte Schatten unter den Augen (er hatte fast den ganzen Tag in Auckland festgesessen, nachdem er es geschafft hatte, einen früheren Rückflug zu bekommen, der über Neuseeland ging). Doch er schien froh und glücklich zu sein, dass es ihm gelungen war, sie alle zu überraschen. Er sah nicht aus wie ein Mann, der unter der Dusche heimliche Tränen weinte. Und jetzt hatten sie Sex! Großartigen Sex! Alles war in Ordnung. Es gab keinerlei Grund zur Sorge. Den Brief hatte er nicht einmal erwähnt. Konnte also nicht so wichtig sein, wenn er nicht mal davon sprach.
    »Super… klasse .« John-Paul bebte und ließ sich auf sie sinken.
    »Hast du gerade superklasse gesagt?«, fragte Cecilia. »Du bist

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