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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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leidenschaftlich an und wirkte plötzlich viel erwachsener. Er neigte sich leicht nach vorn und sprach in den Bleistift. » Habe ich denn eine Freundin?«
    »Kommt drauf an.« Janie spielte mit ihrem Pferdeschwanz. »Was hast du zu bieten? Wo liegen deine Stärken? Wo deine Schwächen? Ich meine, du musst dich schon ein wenig anpreisen.« Sie klang jetzt albern und überdreht, fast weinerlich. Rachel zuckte zusammen. Oh, Janie, Darling, lass das! Sprich nett mit ihm! Du kannst das doch . Das gab es ja nur im Film, dass Teenager Flirten spielten. Im wahren Leben war es schier unerträglich, mit anzusehen, wie sie sich wanden.
    »Oje, Janie, wenn du mir nach wie vor keine klare Antwort geben kannst, dann … Ach, Mann!«
    Connor stand auf und Janie ließ ein schnödes, kurzes Lachen vernehmen. Dabei machte sie jedoch ein Gesicht wie ein kleines beleidigtes Kind, was Connor jedoch entging; er hörte nur ihr Lachen. Er ging geradewegs auf die Kamera zu und griff danach, sodass das Bild komplett verdeckt war.
    Auch Rachel streckte die Hand aus, als wollte sie ihn aufhalten. Nein, nicht ausschalten! Nimm sie mir nicht weg!
    Im nächsten Moment erklang ein statisches Rauschen, und Rachel zuckte zurück, als hätte man sie geschlagen.
    Scheißkerl. Mörder.
    Sie war voller Hass. Adrenalin rauschte durch ihre Adern. Dies war ein Beweis ! Ein neuer Beweis nach all den Jahren.
    »Rufen Sie mich jederzeit an, Mrs. Crowley, sobald Ihnen noch etwas einfällt! Gern auch mitten in der Nacht«, hatte Sergeant Bellach so oft gesagt, dass sie es schon fast nicht mehr hatte hören können.
    Bis jetzt hatte sie ihn nicht angerufen. Aber nun hatte sie etwas für ihn. Sie würden ihn kriegen. Sie, Rachel, würde in einem Gerichtssaal sitzen und zuschauen, wie ein Richter Connor Whitby schuldig sprach.
    Sie wählte Sergeant Bellachs Nummer und wippte dabei ungeduldig auf ihren Fußballen. Die ganze Zeit sah sie Janies beleidigt verzogenes Gesicht vor sich.

18
    »Connor«, sagte Tess. »Ich brauche nur etwas Sprit.«
    »Ach nee«, meinte er.
    Tess benötigte einen Moment, um sich zu fassen. »Du hast mich erschreckt«, erwiderte sie leicht gereizt, da es ihr peinlich war. »Ich dachte, du wärst ein Mörder, der sich angeschlichen hat.«
    Sie griff nach der Zapfpistole und steckte sie in den Tankstutzen. Connor blieb ungerührt stehen, den Helm unter den Arm geklemmt, und sah sie an, als wartete er auf etwas. Gut, genug geplaudert. Ab aufs Motorrad mit dir! Und tschüss! Tess mochte es lieber, wenn Leute aus ihrer Vergangenheit auch dort bleiben. Exfreunde, alte Schulfreunde, ehemalige Kollegen – im Ernst, wozu sich noch mit ihnen abgeben? Das Leben ging weiter. Tess genoss es durchaus, in Erinnerungen an Menschen zu schwelgen, die sie einst gekannt hatte. Aber das tat sie lieber ohne sie. Sie drückte den Benzinhebel, lächelte Connor noch immer argwöhnisch an und versuchte, sich zu erinnern, wie und warum ihre Beziehung damals zu Ende gegangen war. War es, als sie und Felicity nach Melbourne gezogen waren? Klar, sie hatte etwas mit ihm gehabt, wie mit vielen anderen Jungs auch. Für gewöhnlich hatte sie Schluss mit ihnen gemacht, bevor die Jungs mit ihr Schluss gemacht hatten. Und das passierte normalerweise, nachdem Felicity über sie gespottet hatte. Doch Tess fand immer ganz schnell Ersatz. Vielleicht, so dachte sie heute, hatte es ja daran gelegen, dass sie nicht übermäßig attraktiv gewesen war und deshalb auf die Jungs nicht einschüchternd gewirkt hatte. Sie sagte immer Ja. Es wäre ihr gar nicht eingefallen, auch mal Nein zu sagen. Ob sie einen Jungen gut aussehend fand oder nicht, spielte dabei keine Rolle. Sie war einfach dankbar für die Aufmerksamkeit und Zuwendung.
    Tess erinnerte sich, dass Connor immer mehr auf sie gestanden hatte als sie auf ihn; er war ihr zu alt und zu ernst gewesen. Sie war im ersten Jahr an der Uni, gerade neunzehn, und war etwas irritiert von diesem starken Interesse, das dieser ältere, ruhige Junge ihr entgegenbrachte.
    Sie hätte ihn auch richtig mies behandeln können. Doch dafür fehlte es ihr als Teenager an Selbstvertrauen. Ständig überlegte sie, was andere wohl von ihr dachten und wie diese anderen sie wohl verletzen könnten. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, dass sie auch Macht hatte, auf die Gefühle anderer Leute Einfluss zu nehmen.
    »Ehrlich gesagt, habe ich die ganze Zeit an dich denken müssen«, sagte Connor. »Nachdem ich dich heute Morgen in der Schule gesehen habe, habe

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