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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Kontrolle, von wo aus sie die Stadt beschießen konnten. Die Faschisten wurden eingekesselt und mussten sich von ihren Stellungen vor der Stadt nach Teruel selbst zurückziehen, das von der Republik aus der Luft bombardiert wurde, wenn das Wetter es zuließ, und außerdem permanent von der Artillerie beschossen wurde.
    Ich war anscheinend, von meinen Schmerzen ermattet, eingeschlafen. Es war jedenfalls mitten am Tag, als das ganze Gebäude von einer gewaltigen Explosion erschüttert wurde, sodass die halbe Wand hinter mir einstürzte und die Zellentür durch den Druck aufsprang.
    Ich rappelte mich auf. Ich war benommen, aber ich ergriff meine Chance. Drei andere Männer traten ebenfalls in den Flur hinaus. Dem einen lief Blut aus den Ohren. Vor mir lag der fette Wachmann und stöhnte laut. Er hatte seine Pistole im Holster stecken. Ich entsicherte sie, schoss ihm in den Kopf und machte den drei anderen ein Zeichen. Der Mann, dem das Blut aus den Ohren rann, wirkte vollkommen konfus und lief in die falsche Richtung, aber die beiden anderen begriffen, was ich meinte. Ich nahm dem fetten Wärter seinen Schlüsselbund ab und warf ihn meinem vordersten Mitgefangenen zu, dessen Gesicht ebenso wie meines von alten und neuen Narben übersät war. Schnell öffnete er alle Zellentüren. Sechs oder sieben Männer kamen heraus und blickten sich verwirrt um. Die Tür zu Mads’ Zelle war offen. Sie war leer. Auf dem Boden schwammen Blut, Erbrochenes und Exkremente, und der Anblick tat mir in der Seele weh, aber jetzt ging es nur noch darum zu überleben.
    Wir liefen durch den Rauch und den Staub in den Hof hinaus, der mit Toten und Verletzten übersät war. DieGranate oder die Flugbombe musste mitten im Innenhof eingeschlagen haben. Ich hörte Flugzeugmotoren am Himmel, und ein Stück weiter weg explodierte eine Bombe. Noch weiter von uns entfernt hörte ich sowohl die Artillerie als auch Gewehr- und Maschinengewehrfeuer.
    Das Dach des alten Klosters brannte. Einer meiner Mitgefangenen hob ein Gewehr auf, das neben einem toten Soldaten lag, dem bei der Explosion ein Bein abgerissen worden war. Es herrschte ein einziges Gebrüll und Geschrei und vollkommenes Durcheinander. Durch den vielen Rauch und Steinstaub konnte man kaum etwas sehen. Ein verwundeter Nationalistensoldat wollte zu seinem Gewehr hinrobben, wurde aber von einem der entwischten Kameraden erschossen.
    Ich lief, so schnell ich konnte, zur Tür des Verhörraumes hinüber. Sie hing nur noch halb im Rahmen. Direkt hinter der Tür lagen zwei meiner Schlägerfreunde auf dem Boden. Der eine stöhnte lautstark vor sich hin. Der deutsche Offizier hatte sich von seinem Schreibtischstuhl erhoben und sah überrascht und verwirrt aus, als wäre er bewusstlos gewesen und käme erst jetzt wieder zu sich. Das Dach war eingestürzt, und anscheinend war er von einem kleineren Balken erwischt worden.
    Ich hob die Pistole, und er hob abwehrend die Hände, aber die konnten die beiden Projektile, die ich auf seine Brust und sein Gesicht abfeuerte, natürlich nicht aufhalten. Ich machte ein paar Schritte nach vorn und erschoss zur Sicherheit auch noch die beiden Männer, die halb liegend, halb sitzend neben Mads auf der Erde kauerten und sich vor Schmerzen wanden. Ich warf die italienische Pistole auf den Boden und nahm die Luger des Deutschen, bevor ich mich umdrehte und versuchte, die Seile aufzuknoten, mit denen sie Mads an den Stuhl gefesselt hatten.
    Sein Gesicht war nicht mehr zu erkennen. Seine Zähnewaren ausgeschlagen, sein Kiefer mit den wenigen verbliebenen Zahnstümpfen blutete, seine Augen waren geschlossen, er hatte keine Nägel mehr, und es sah aus, als hätten sie ihm beide Arme gebrochen, denn sie hingen in einem unnatürlichen Winkel an ihm herunter. Er war nackt, und überall auf seinem Körper waren Brandnarben von den Zigaretten der Henker zu sehen.
    Ich steckte die Luger in meinen Hosenbund. Meine Hände zitterten, und ich bekam seine Fesseln nicht auf. Ich fluchte und weinte gleichzeitig, aber ich bekam sie einfach nicht auf, wie sehr ich es auch versuchte. Die Knoten ließen sich nicht lösen. Ich zerrte heftig an den Seilen und heulte noch mehr, als ich sah, wie das Seil in seine misshandelten Arme schnitt.
    Ich spürte eine Hand auf meinem Arm, drehte mich um und hob schon meine Hand, um zuzuschlagen. Es war einer der anderen republikanischen Gefangenen.
    »Muerto«, sagte er leise. »Tu compañero está muerto. Vamos, hombre.«
    Dieser Satz hallte in den

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