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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Stepanowitsch verlassen hatte. Ob Alfonsos Zunge sich mit Geld hätte lösen lassen? Aber vielleicht hatten sie ihn unter schwersten Drohungen zum Schweigen gezwungen. Immer gibt es mehr Fragen als Antworten.
    Seine Gedanken drehen sich im Kreis.
    Es gelingt ihm nur selten, den Gedankenstrom zu unterbrechen. Irina hätte nur eine sehr kurze Zeitspanne zum Verschwinden gehabt, wenn er sofort zurückgekommen wäre. Hätte er dann nicht die Möglichkeit gehabt, sieeinzuholen? Vielleicht hätte sie der Mut verlassen, wenn er ihr gegenübergestanden und sie in die Arme genommen hätte, und sie wäre nicht aufgebrochen.
    Er versucht, nicht an Mads zu denken. Er hat ein schlechtes Gewissen. Er wünschte, er hätte anders gehandelt, weiß aber nicht, was genau er hätte tun sollen. Er sieht Maries sorgenvolles Gesicht vor sich und kann in ihren Augen die Enttäuschung und die Verzweiflung deutlich sehen. Er hat Mads in einem Winkel seines Herzens untergebracht, in dem er ihn bis an sein Lebensende mit sich herumtragen wird, und er hat stillschweigend akzeptiert, dass er vielleicht niemals erfahren wird, wie Mads ums Leben gekommen ist.
    Wenn in Spanien irgendwann einmal Frieden herrschen sollte, wird er, das hat er Marie versprochen, herausfinden, was mit Mads passiert ist, und sein Grab ausfindig machen, auch wenn es nur ein Massengrab sein sollte, damit sie es besuchen können, und er dort Buße tun und sie über das vertane Leben weinen kann.
    Sie hat keine Träne vergossen, als er ihr berichtet hat, was Pandrup ihm über Mads und seine Mission erzählt hatte, aber er kennt seine große Schwester und weiß, dass sie, sobald sie in ihrem Hotelzimmer allein war, um Mads und all das geweint hat, was er nicht mehr erreicht hat. Marie ist davon überzeugt, dass Mads ein sehr begabter Dichter war. Sie trauert nicht nur um das, was sie persönlich betrifft, sondern auch darum, dass die Welt einen guten Menschen und einen großen Dichter verloren hat. Dass der Welt sehr viel Schönes vorenthalten bleiben wird, weil Mads irgendwo in Spanien getötet worden ist.
    Sie hatte es auf eine merkwürdig tonlose und verschlossene Weise formuliert: »Das Tragische ist, dass er gestorben ist, bevor er seine Saat aussäen konnte, während wir anderen, die wir viel gleichgültigere Menschen sind, vermutlich hundert Jahre alt werden.«
    Er hatte nichts darauf erwidert, sondern sie bloß im Arm gehalten und auf ihr Weinen gewartet, das nicht kam.
    Er denkt an die Zeit, die vergangen ist, und an die, die kommen wird, und er ist voller Hoffnung und bodenlos verzweifelt zugleich. Er ist froh, dass er sich dafür entschieden hat, Irina aufzusuchen. Er will sie sich nicht aus dem Kopf schlagen, und er weiß, dass sie am Leben ist.
    In Moskau beginnt bald der Prozess gegen ihren Vater und ihren Bruder, sie sind also noch am Leben. Zumindest so lange, wie der Prozess dauert. Er will zu verhindern versuchen, dass sie von ihnen in den sicheren Tod mitgerissen oder ins ferne ungastliche Sibirien deportiert wird, wo die Menschen in riesigen Lagern verschwinden, in denen sie sich, wie man hört, zu Tode schuften müssen.
    Magnus ist dankbar für die Hilfe, die Redakteur Brodersen ihm erneut hat zuteilwerden lassen. Er hat ihn als Journalisten bei den Prozessen in Moskau akkreditiert, hat ihm die erforderlichen Papiere und Empfehlungsschreiben ausgestellt und ihnen Zimmer im vornehmen Hotel National besorgt, das gegenüber vom Roten Platz ganz in der Nähe des Gebäudes liegt, in dem jeden Tag die Gerichtsverhandlungen stattfinden.
    Brodersen war nach Kopenhagen gekommen. Er hatte gesagt, er habe dort noch andere Termine, sodass es ihm keine Umstände mache, aber Magnus ist sich nicht sicher, ob das stimmt.
    Svend Poulsen ist als Assistent und Dolmetscher von Redakteur Meyer akkreditiert. Magnus weiß, dass Svend außerdem noch eigene Pläne verfolgt. Er will versuchen, von der Komintern rehabilitiert zu werden, in deren Macht es steht, seinen Ausschluss aus der dänischen Kommunistischen Partei rückgängig zu machen, aber Magnus ist ihm trotzdem zutiefst dankbar, dass er ihn begleitet und ihm hilft.
    Svend hatte keine Sekunde gezögert. »Du bist mein Freund. Natürlich helfe ich dir. Das bin ich auch Mads schuldig«, hatte er gesagt. Den Großteil von Joe Mercers Geld gibt Magnus Svend als Honorar, damit dessen Familie Geld zum Leben hat, während er weg ist. Vom Rest bezahlt er unter anderem das Hotel. Um seine Finanzen muss er sich nach wie vor keine

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