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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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etwas auf Russisch. Er scheint auf einmal der Unterlegene zu sein, denn er kann noch immer nicht sehen. Irina sitzt auf Kawerin und zerkratzt ihm wie eine Furie das Gesicht, versucht, ihm die Augen auszustechen. Torokul gehorcht aufs Wort. Mühelos reißt er Irina von Kawerin weg, umfasst mit seiner rechten Hand ihren Kopf, der in seiner großen Pranke beinahe verschwindet. Dann drückt Torokul zu und bricht ihr das Genick, als wäre sie ein kleines, zerzaustes Huhn.
    Magnus stürzt sich auf ihn, ein Faustschlag von Torokul aber wirft ihn rückwärts gegen Kawerin. Jetzt nutzt Svend seine Chance und rammt dem Riesen die Stehlampe in den Nacken. Torokul wendet sich von Magnus ab, reißt Svend die Stehlampe aus der Hand und schleudert sie quer durch den Raum.
    Irina liegt entsetzlich verdreht auf dem Boden. Magnus bemerkt, dass Kawerin sich unter ihm herauszuwinden versucht, und dreht sich auf die Seite, schlägt ihm erst in das eine und dann in das andere Auge. Da sieht er seinen eigenen Revolver auf dem Boden liegen. Er verpasst Kawerin noch einen Schlag und greift nach dem Revolver, spannt den Hahn und sieht die Patrone nach vorne gleiten. Er ist blind vor Wut und Verzweiflung. Er zielt gerade auf den blutenden Kawerin, als er Svends gequälte Stimme hört.
    »Magnus, zum Teufel«, schreit dieser auf Dänisch. »Hilf mir. Schaff mir verflucht noch mal diesen Gorilla vom Hals.«
    Jetzt erst bemerkt Magnus, dass Torokul Svend in den Schwitzkasten genommen hat und fest zudrückt. Es ist nur eine Frage von Sekunden, bis er Svends Rippen eine nach der anderen brechen hören wird. Torokul hat Magnus zum Glück die Seite zugewandt, als der seinen Revolver mit beiden Händen umfasst und abdrückt. Er trifft Torokul in den Oberschenkel. Torokul heult laut auf und lässt Svend los, der jammernd zu Boden gleitet. Ein zweiter Schuss hallt durch den Raum, der aber in die Wand eindringt.
    Magnus ist vollkommen ruhig und nüchtern. Alle Geräusche klingen auf einmal gedämpft und so, als kämen sie aus großer Entfernung. Er lässt Torokul einen Schritt auf sich zu machen, bevor er ihm ins Auge schießt. Auf dem Gesicht des Kirgisen zeigt sich für einen Moment ein erstaunter Ausdruck, dann sinkt er auf die Knie. Magnussteht ruhig da und beobachtet, wie Torokul langsam vornüberkippt und wie ein Stier in der Arena stirbt.
    Magnus dreht sich um.
    Kawerin hat sich aufgerappelt, kann mit dem einen Auge wieder sehen. Auf dem Boden sitzend versucht er, seine Pistole aus dem Schulterholster zu ziehen. Magnus empfindet noch immer vollkommene Furchtlosigkeit. Er spürt zwar das Pochen in seinem gebrochenen Finger, dennoch ist seine Konzentration bis zum Äußersten gespannt. Er macht in aller Ruhe einen Schritt nach vorn und tritt Kawerin mit voller Wucht ins Gesicht.
    »Lass gut sein, Magnus. Lass gut sein. Vielleicht brauchen wir ihn noch.«
    Svends Stimme dringt zwar zu ihm vor, aber er beachtet sie nicht. Vielmehr hält er Kawerin die Pistole vors Gesicht.
    »Mach dich bereit für die Hölle, du Hurensohn. Das hier ist für Mads und Irina«, sagt er und schießt ihm aus einem halben Meter Entfernung genau zwischen die Augen. Kawerin rutscht zur Seite weg, hinterlässt eine feuchte Spur von Hirnmasse und Blut auf dem hellen Teppich, bis er schließlich reglos liegen bleibt.
    Magnus steckt den Revolver in seinen Gürtel und setzt sich neben Irina auf den Boden. Dann legt er ihren Kopf vorsichtig in seinen Schoß.
    »Kannst du Keenan im Hotel anrufen, Svend? Ich glaube, wir brauchen seine Hilfe«, sagt er und hört seine eigene Stimme, als gehöre sie zu jemand anderem. Behutsam schließt er Irinas Augen, bevor er ihr sanft über das Haar streichelt, während sich seine Tränen mit ihrem Blut vermischen.

Epilog
    D ie folgenden Tage sind in meiner Erinnerung umnebelt wie sonst kaum etwas in meinem Leben. Mithilfe von Svend Poulsen, der mir das Leben gerettet hatte, habe ich sie einigermaßen rekonstruieren können. Svend versuchte, mich zu trösten, indem er behauptete, Irina habe uns beide durch den plötzlichen Angriff auf ihren Peiniger gerettet, obwohl sie sich darüber im Klaren gewesen sein musste, dass sie damit ihr Leben aufs Spiel setzte. Svend vertrat die Auffassung, dass sie gar nicht mehr habe leben wollen, aber ich habe ihm diesen offenkundigen Versuch, mich zu trösten, nie wirklich abgekauft.
    Svend und ich hatten während der zehn Tage dauernden Zugreise von Moskau nach Wladiwostok an der Küste des Pazifiks reichlich

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