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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Zeit an Ihre Tarnung denken müssen. Sie dürfen die Gefahr nicht unterschätzen, der Sie sich aussetzen. Man kann Sie sehr leicht für einen Spion halten – vielleicht für ein zögerliches, unschuldiges Exemplar dieser Gattung, aber trotz allem für einen Spion. Und im Krieg werden Spione auf der Stelle erschossen.«

6
    M agnus Meyer schläft in seinem alten Bett in seinem ehemaligen Kinderzimmer und hat Albträume. Das Bett ist das Einzige, was noch von seiner Zeit in der großen Villa übrig ist. Sein Körper erinnert sich noch an jeden Hubbel und jede Falte in der alten Matratze. Das große, helle Zimmer dient jetzt als Gästezimmer mit einem Kleiderschrank und einem Waschtisch mit einer Kanne aus weißem Blech unter einem langen Spiegel. Auf dem Boden neben dem Tisch steht ein Nachttopf, obwohl sich an beiden Enden des Flures je eines der drei Badezimmer des Hauses befindet.
    Seine Plakate von Entdeckungsreisenden im Dschungel und die Weltkarte sind verschwunden. Sein alter Schreibtisch mit den vielen Schubladen und dem Geheimfach ist ebenfalls verschwunden. Ebenso die Kommode, in der er die merkwürdigen Steine, seltsamen Zweige, Skelettteile von Tieren und Vögeln, den versteinerten Igel, den Fuchsschädel und andere geheimnisvolle Sachen versteckt hat, die er als Junge bei seinen Streifzügen in den Wäldern oder an den Seen und am Fluss gefunden hat. Und auch das dunkle Regal, in dem er seine wenigen Bücher aufbewahrt hat, ist weg.
    Im Traum steht alles wieder an seinem Platz, aber das Zimmer ist auf einmal doppelt so groß. Dolores liegt nackt im Bett, und er sieht sich selbst, wie er dasteht und sie betrachtet. Sie sagt etwas, aber ihre Stimme dringt nicht bis zu ihm vor. Ihre Brustwarzen ragen in die Luft, und sie legt eine Hand in ihren Schritt und lässt ihren Zeigefinger hinein- und hinausgleiten. Er hat eine Erektionund will zu ihr hingehen, aber er kann sich nicht bewegen. Sein Körper ist wie gelähmt. Mit der anderen Hand winkt sie ihm zu, und endlich lässt die Lähmung nach. Er macht einen Schritt nach vorn, aber im selben Moment verwandelt Dolores sich in Santiago, der aus dem Bett aufsteht, vollständig bekleidet und mit geladenem Revolver. Wie in Zeitlupe bewegt Santiagos Finger den Abzug nach hinten. Magnus greift verzweifelt nach seinem eigenen Revolver, aber er ist nackt und unbewaffnet. Der Abzug ist jetzt am Anschlag, und das Projektil verlässt den Pistolenlauf, von einem Feuerblitz umgeben, und nähert sich langsam seinem geöffneten Mund, dem ein lautloser Schrei entweicht.
    Magnus liegt schweißgebadet im Bett. Der Regen hat aufgehört. Durch das Fenster kann er den Wind in den großen Buchen rauschen hören. Er steht auf. Unter seinem weiten Nachthemd ist er nackt. Er zieht seine Leinenhose an, sucht seine Zigaretten, zündet sich eine an und nimmt einen tiefen Zug. Er spürt sein Herz heftig schlagen. Er öffnet das Fenster, schaut zu dem in Dunkelheit liegenden Sanatorium hinüber und hofft, die Nachtschwester möge dort mit ihrer Lampe vorbeigehen, damit er sich nicht so furchtbar allein auf der Welt fühlen muss. Kälte schlägt ihm entgegen und lässt den Schweiß auf seiner Brust förmlich gefrieren, gleichzeitig schwitzt er unter den Achseln.
    Das Abendessen hat lange gedauert und ist beinahe identisch wie das am Abend zuvor verlaufen. Marie und er haben ein wenig miteinander geredet, Doktor Krause und der Chefarzt haben wieder über die unzähligen Leiden und die infrage kommenden Heilmethoden für diverse namenlose Patienten diskutiert. Magnus ist früh auf sein Zimmer gegangen. Für einen Moment hat er es bereut, dass er Marie nachgegeben hat und in die Villa umgezogen ist, aber nicht »nach Hause«, wie sie es genannt hat. Er hat am Fenster gesessen, Whisky getrunken undZigaretten geraucht und hat seinen Erinnerungen nachgehangen.
    Es brachte ihn fast zum Weinen, dass es ihm so schwerfiel, sich die Gesichtszüge seiner Mutter ins Gedächtnis zu rufen, während der scharfe Blick des Vaters unter der hohen Stirn wie Drachenaugen durch die Nacht zu leuchten schien. Im Laufe des Tages traf er den Vater zweimal, aber es kam nie zu einer Konfrontation. Sie bewegten sich umeinander wie die zwei Fremden, die sie einander immer gewesen waren. Früher war die lauernde Gewalt seine treue Begleiterin, heute eine erzwungene Höflichkeit. Sie vermieden es, sich allein mit dem anderen in einem Zimmer aufzuhalten, und erstickten auf diese Weise jede mögliche Auseinandersetzung im

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