Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
Artikel aus Madrid beispielsweise schicken Sie vom Hauptpostamt oder vom Telegrafenamt ab. Es fällt auf, wenn Sie nie Artikel in die Heimat schicken. Verstehen Sie, was ich sage?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Ausgezeichnet, dann haben wir also eine Abmachung.«
    »Ich will es gern versuchen.«
    »Schreiben Sie einfach, was Sie sehen und erleben.«
    »Und was, wenn das nicht zur politischen Ausrichtung Ihres Blattes passt?«
    »Darüber müssen Sie sich nicht den Kopf zerbrechen. So denke ich nicht. Ich werde drucken, was Sie schreiben, solange es sich dabei um eine anständige Reportage handelt. Sie dürfen auch gern ein oder zwei Berichte über kulturelle Themen schreiben. Ich bin mir sicher, es wird Ihnen Spaß machen, wenn Sie erst einmal auf den Geschmack gekommen sind.«
    »Vielleicht.«
    »Ausgezeichnet. Ich habe mir erlaubt, einige Dokumente vorzubereiten, die Ihre Akkreditierungen beglaubigen. Ihr Vater und vor allem Ihre Schwester scheinen es sehr eilig zu haben, Sie loszuschicken. Als fürchteten sie, jeden Tag könnten schlechte Neuigkeiten eintreffen.«
    »Das ist leider nicht auszuschließen.«
    »Nein. Das ist es nicht. Schauen Sie mal.«
    Brodersen legt zwei Bögen Papier vor Meyer auf den Tisch. Es handelt sich um dickes Papier von guter Qualität. Auf dem einen steht auf Dänisch, Englisch und Spanisch, dass Magnus Meyer als Journalist für die Landeszeitung tätig sei sowie für etwas, das Brodersen die »nationale Nachrichtenagentur« genannt hat, und dass man hoffe, man werde ihm als Nonkombattanten die erforderlicheHilfe und Unterstützung zuteilwerden lassen. Das andere Dokument, das ebenfalls mit mehreren Stempeln versehen ist, ist eine Bankgarantie von einem der örtlichen Geldinstitute, mit deren Hilfe Meyer bei internationalen Banken Geld abheben kann, insgesamt bis zu zwanzigtausend Kronen. Eine enorm große Summe, denkt Meyer.
    Brodersen betrachtet ihn, während er liest, und als Magnus die Papiere beiseitelegt, sagt er: »Das ist eine ordentliche Summe, für die ich normalerweise nicht so ohne Weiteres eine Bankgarantie ausstellen lassen könnte, ohne Schwierigkeiten mit unserer Buchhaltung zu bekommen. Aber Ihr Vater bürgt dafür.«
    »Die brauche ich nicht.«
    »Doch. Das tun Sie. Alle Korrespondenten sind mit einer solchen Bankgarantie unterwegs. Was Sie damit machen, ist Ihre Sache und die des Chefarztes, aber Sie müssen sie dabeihaben. Und noch einmal: Seien Sie sich auf Schritt und Tritt Ihrer Tarnung bewusst. Sie müssen denken wie ein Journalist, dann benehmen Sie sich auch wie einer. Sie mögen über eigenes Geld verfügen, aber zusammen mit den Akkreditierungen ist die Bankgarantie Ihr Beweis dafür, dass Sie für eine seriöse Nachrichtenagentur arbeiten. Das ist unerlässlich. Und in einer Kriegssituation ist es besonders unerlässlich.«
    »Woher wissen Sie das alles? Ich hätte nicht gedacht, dass man als Redakteur bei einer Provinzzeitung über Kriegserfahrung verfügt.«
    Brodersen lehnt sich im Stuhl zurück, faltet die Hände im Nacken und guckt an die Decke. Sein Blick geht in die Ferne, als tauche er für einen Augenblick in die Nebel der Erinnerungen ein. Magnus lässt ihn seinen Gedanken nachhängen. Draußen hat der Wind offensichtlich gedreht. Das Prasseln des Regens gegen die Fensterscheiben hat für einen Moment aufgehört, doch dann dreht derWind erneut, und das rhythmische Peitschen des Regens gegen das Glas kehrt zurück.
    Brodersen meldet sich ebenfalls zurück: »Während des russischen Bürgerkrieges war ich fast zwei Jahre lang als Korrespondent für die Nationalzeitung tätig. Ich kenne den Bruderkrieg, Herr Meyer. Er ist schlimmer als jeder andere Krieg. Der Bruderkrieg fördert bei allen Beteiligten eine ungeheuere Brutalität zutage. Denken Sie nur an die Ermordungen während des amerikanischen Bürgerkrieges. Es passiert mir immer noch, dass ich nachts aufwache und an die Gräuel denken muss, die ich in Russland miterlebt habe. Die Roten waren schlimm, doch die Weißen nicht minder. Wenn man die Kosaken einmal ihre Säbel hat benutzen sehen, dann vergisst man das nie mehr. Wenn ich Berichte über den Spanischen Bürgerkrieg lese, habe ich die Sorge, dass das Ausmaß der Brutalität auf beiden Seiten einfach entsetzlich ist.«
    Er lässt die Arme sinken, legt sie vor sich auf den Tisch und blickt Magnus jetzt direkt in die Augen: »Das ist der Grund dafür, Herr Meyer«, sagt er leise, »warum ich noch einmal betonen möchte, dass Sie die ganze

Weitere Kostenlose Bücher