Die Wahrheit stirbt zuletzt
Daraufhin trat Poul den Brigaden bei.
Die Kommunistische Parteiführung sah es ohnehin lieber, dass ihre Mitglieder sich den disziplinierten und organisierten Internationalen Brigaden anschlossen. Als die Regierung gleichzeitig Frauen das Verbot erteilte, Waffen zu tragen und gemeinsam mit den Männern zu kämpfen, reiste sie mit Poul nach Albacete und bekam die Anstellung als Zensorin und Mädchen für alles im Büro der administrativen Leitung der Internationalen Brigaden. Sie kann von Haus aus ein bisschen Englisch und die anderen skandinavischen Sprachen und hat sich auch Spanisch ganz passabel angeeignet.
»Poul ist bei Madrid gefallen«, sagt sie tonlos. »Sie sagen, er wurde in den Kopf getroffen und war sofort tot. Das Restaurant hier ist nicht schlecht, wenn auch ein wenig teuer.«
Es ist ein kleines Restaurant in der Calle de Feria. Der Kellner, ein kleiner Mann mit einem sehr runden Gesicht und einem dünnen Schnurrbart, hat sich ein Geschirrtuch als Schürze umgebunden. An seiner linken Hand fehlen drei Finger. In seinem Restaurant gibt es etwa ein halbes Dutzend Tische. Magnus und Tove sind früh dran, und so sind sie die ersten Gäste.
Auf den zerkratzten, aber sauberen Tischen liegen keine Tischdecken. Sie setzen sich an einen Tisch mit zwei Tellern, Besteck und vier Gläsern. Der Wirt kommt und stellt eine Flasche Rotwein ohne Etikett auf den Tisch und eine durchsichtige Flasche mit Wasser, dabei sagt er: »Ich habe sopa de fideos und Huhn mit Bohnen im Angebot. Brot gibt es nicht, aber Pudding zum Nachtisch, und Kaffee gibt es auch.«
»Das nehmen wir«, sagt Magnus und schenkt ihnen beiden Wein ein, während er sich weiter die Geschichte von Tove und Poul anhört. Sie erzählt ihm noch mehr vonihrer kurzen gemeinsamen Zeit in Spanien und von ihrem harten Leben in Dänemark. Sie wiederholt mehrmals, so als müsse sie sich selbst immer wieder daran erinnern, dass er bei Jarama gefallen und dass ihm ein gnädiger Tod zuteilgeworden sei.
Die Suppe wird ihnen sofort serviert. Es ist eine klare Hühnerbouillon, auf deren Oberfläche viele verlockende Fettaugen schwimmen, und an den dünnen Nudeln, denen die Suppe ihren Namen verdankt, hat der Koch ebenfalls nicht gespart. Danach kommt das halbe gegrillte Hähnchen, das ziemlich trocken und zweifellos mehr Hahn als Hähnchen ist. Dazu gibt es weiße Bohnen. Magnus lässt die Hälfte seines Essens stehen und trinkt dafür den größeren Teil des Weines, während Tove seinen Teller nimmt und ohne jede Scheu seine Reste aufisst. Er kann ihr ansehen, dass sie wie so viele andere häufig hungrig ins Bett gehen muss. Sie isst sowohl ihren eigenen als auch seinen Pudding und raucht eine seiner Zigaretten, während sie einen starken Kaffee und Brandy serviert bekommen.
Sie lächelt ihn an und sagt: »Ich glaube immer noch an den Sieg. Das tue ich wirklich. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, sage ich mir, dass ich daran glauben will. Ich will nicht, dass Poul umsonst gestorben ist. Aber es ist nicht immer leicht, daran zu glauben, dass das Gute siegen wird. Das ist einer der Nachteile daran, wenn man dort arbeitet, wo ich arbeite. Ich bin viel zu gut darüber informiert, wie es läuft.«
»Es läuft also nicht so gut?«
Sie sieht weg: »Ich darf nicht über das sprechen, was ich weiß. Wir sollen uns vor Spionen in Acht nehmen.«
»Glaubst du etwa, dass ich ein Spion bin?«
»Nein. Das glaube ich nicht. Vielen Dank für die Einladung, Magnus. Es hat wunderbar geschmeckt. Du bist ein sympathischer Mann.«
»Keine Ursache. Das ist doch nicht der Rede wert.«
»Oh, doch. Das ist es.«
Er sagt: »Tove, ich habe über eine Sache nachgedacht. Da du bei der Post arbeitest und wir Landsleute sind, könnte es doch sein, dass du mit der Post meines Bruders zu tun hast. Er heißt Mads mit Vornamen.«
»Mads Meyer? Ich habe mir schon fast gedacht, dass er dein Bruder ist. Meyer ist ja kein ganz gewöhnlicher dänischer Name. Es ist schon erstaunlich, wie klein die Welt ist. Wir haben heute zwei Briefe an deinen Bruder von der Zensur zurückbekommen, die ich gleich an ihn weitergeleitet habe. Und was für ein Zufall, dass du jetzt hier bist, während er gerade dort ist, schließlich könnte er sich auch an so vielen anderen Orten ganz weit von hier entfernt aufhalten.«
»Wo ist er denn genau?«
»In Madrigueras. Das ist ein Dorf ungefähr dreißig Kilometer nördlich von Albacete. Die Internationalen werden dort ausgebildet, bevor sie an die Front geschickt
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