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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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ihre Teller mit dem letzten Stück Brot blank. Mads holt für Magnus und sich eine weitere Portion, die sie, ohne ein Wort zu sagen, in Angriff nehmen.
    Bertil kommt zu ihnen herüber und setzt sich, zündet sich eine Zigarette an und sieht ihnen mit zufriedener Miene beim Essen zu. »Esst so viel, wie ihr mögt«, sagt er in seinem langsamen Schwedisch. »Es ist ausnahmsweise genug für alle da. Dass sie uns sowohl Möhren als auch ein ganzes Schaf schicken, bedeutet vermutlich, dass einige unserer lieben Kameraden bald sterben müssen. Aber so ist das nun mal. Hast du deinem Bruder von der Kirche und dem Brunnen hier im Dorf erzählt?«
    »Nein. Das habe ich nicht«, sagt Mads mit vollem Mund. Seine kräftigen jungen Zähne kämpfen mit einem sehnigen Stück Lammfleisch, das er schließlich aus dem Mund nimmt und verwundert betrachtet, ehe er es zurücksteckt und weiter darauf herumkaut.
    »Dann werde ich es tun«, sagt Bertil zufrieden. »Als Untermalung zu eurem Essen. Vielleicht kann selbst ein bürgerlicher Schreiberling in seiner Zeitung darüber berichten. Die werden da schließlich nicht nur Lügen abdrucken. Also hör zu, Magnus. Für manche Menschen ist diese Kirche vielleicht ein christliches Bauwerk, aber für mich und die guten Kameraden ist Religion der reineAberglaube und Opium fürs Volk, von den Machthabern erfunden, um die Menschen in Unwissenheit zu belassen. Diese Kirche ist ein klassisches Symbol für die jahrhundertealte Unterdrückung. Die katholische Kirche in Spanien ist die Kirche der Machthaber. Franco und seine Faschisten behaupten, sie befänden sich auf einem Kreuzzug gegen uns Rote. Die Kirche segnet die Kanonen der Faschisten, weil sie ein Interesse daran hat, ihre Macht und damit auch ihr vieles Geld und ihre sonstigen Güter zurückzuerlangen.«
    Bertil deutet mit seiner Zigarette zu den Töpfen auf der Feuerstelle: »Als die ersten Brigaden hierherkamen, wandelten sie die Kirche in einen Versammlungsraum und Speisesaal um. Die Kameraden rissen den Altar ab und errichteten die Feuerstelle. Unten im Keller entdeckten sie einen geheimen Raum mit einem schmalen Wasserlauf aus Granit, in dem klares Wasser floss. Dort entsprang wahrhaftig eine Quelle mit reinstem, natürlichstem Wasser! Wie sich herausstellte, speiste die Quelle auch den Brunnen auf der Plaza, und der Wasserfluss ließ sich mit einem Holzpflock regulieren. Manchmal setzte der Priester den Pflock ein, woraufhin der Brunnen austrocknete. In der Regel tat er das in den wärmsten Monaten, wenn die Menschen das Wasser am dringendsten benötigten. Dann forderte der Priester die Menschen auf, zu beten und reichlich zu spenden: Geld, Schafe, Schweine, Getreide, Mais, alle möglichen guten Sachen für die heilige Margaretha, die Schutzpatronin des Brunnen. Das taten die elenden, abergläubischen, armseligen Bauern und Landarbeiter dann auch. Wenn der Priester und sein fetter Bischof unten in Albacete mit ihrer Beute zufrieden waren, zogen sie ganz langsam den Holzpflock wieder heraus, sodass das Wasser nach und nach wieder in den Brunnen sprudelte, und alle versammelten sich in der Kirche zum Gottesdienst, voller Dankbarkeit darüber,dass der Herrgott die Gebete des Volkes erhört hatte. Was sagst du zu dieser Geschichte, Magnus?«
    »Die Welt will betrogen werden.«
    »Ja. Und deshalb müssen wir die Welt verändern.«
    »Wenn du das sagst.«
    »Ich sage es nicht nur. Ich tue es. Genau wie dein Bruder. Wir verändern die Welt. Wir kämpfen für eine neue Gesellschaft, in der es keinen Platz gibt für Kirchen und andere blutsaugende Machthaber. In der das arbeitende Volk selbst über sein Leben bestimmt. Und was tust du?«
    »Ich genieße dein Essen.« Magnus reibt mit seinem letzten Stück Brot den Teller aus, um jeden Tropfen Soße zu erwischen.
    »Für das andere sich krummgelegt haben.«
    »Du hast mich selbst eingeladen, aber ich bezahle gern dafür.« Magnus stopft sich das feuchte Stück Brot in den Mund und kaut langsam.
    »Denkst du wirklich, es geht um Geld? Glaubst du das?« Der große Schwede nimmt einen Schluck Cognac. Sein Glas ist fast leer. Magnus sieht, wie Mads von Bertil zu ihm sieht und dann kaum merklich den Kopf schüttelt.
    »Ich habe keine Lust, mich mit dir zu streiten«, sagt Magnus. Er spricht etwas undeutlich, weil er noch den letzten Bissen im Mund hat.
    »Streiten? Wer redet denn hier von streiten? Wir diskutieren wie gute Kameraden. Ich erkundige mich nur nach deinem Gewissen.«
    »Du bist nicht

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