Die Wahrheit stirbt zuletzt
mehr für Sie tun. Wir haben Sie gewarnt. Und wir werden Sie im Auge behalten. Vielen Dank für den Drink. Gerhardt, kommst du?«
Sie trinken beide ihr Glas aus und erheben sich.
Pandrup dreht sich halb um und sagt auf Dänisch: »Du hättest deinen Bruder nicht aufsuchen sollen. Ich hatte es dir untersagt. Worüber habt ihr gesprochen?«
»Private Dinge.«
»Das hoffe ich doch. Worüber auch immer ihr gesprochen habt, behalte es für dich. Und befolge den Rat meines russischen Kameraden. Du gehörst nicht hierher. Der gute Ruf deines Bruders hilft dir nur begrenzt weiter. Du solltest froh sein, dass du ihn hast. Sonst würdest du hier sicher nicht so friedlich beim Bier sitzen. Kehr nach Dänemark zurück, Magnus Meyer. Überlass den Krieg den richtigen Männern.«
Magnus sieht ihnen hinterher. Nach außen hin ist er ruhig, aber es fällt ihm schwer, seine Atmung zu kontrollieren. Er muss zugeben, dass sie ihm Angst machen, aber er ist auch wütend auf sie. Die beiden haben ihm gar nichts zu sagen. Er versteht auch nicht ganz, warum sie ihn unbedingt loswerden wollen, aber es hat sicher mit Mads und dessen geheimen Operationen zu tun. Plötzlich macht er sich große Sorgen. Vielleicht sind sie Mads gegenüber misstrauisch geworden. Vielleicht haben sie Mads aufgesucht. Die gesamte republikanische Seite ist wie besessen von der Furcht vor Saboteuren und Spionen, die bereits ganze Gefängnisse und Lager füllen. Und diese Furcht wird gewiss nicht abnehmen, solange an den Fronten nicht bald Fortschritte erzielt werden. Alle brauchen ihre Sündenböcke.
Magnus bleibt noch einen Moment sitzen und trinkt sein Bier aus, nimmt sein leeres Glas mit zur Bar, um dort ein neues Bier zu bestellen. Auf einmal hört er Joe Mercers Stimme: »Spendierst du einen Drink, Kumpel?«
Der große Amerikaner sieht staubig und müde aus mit seinem unrasierten Kinn unter dem großen Schnurrbart, aber sein Gesicht ist ein einziges großes Lächeln. In der einen Hand hält er seinen Hut, mit der anderen drückt er Magnus’ Hand.
»Schön, dich zu sehen«, sagt Magnus und macht dem Barkeeper ein Zeichen, ihnen zwei Bier zu bringen.
»Gleichfalls.«
»Wie war es in Madrid?«
»Konstruktiv und ertragreich. Gibt es heute warmes Wasser? Ich bin mit einem Truppentransport zurückgekommen.« Mercer leert sein Glas zur Hälfte. »Bist du bereit zur Weiterreise?«
»Wann?«
»Morgen früh. Wir haben in Cartagena einen Termin mit einem Banditen.«
»Mich hält hier nichts.«
»Und dein Bruder?«
»Da gibt es nichts, was meine Anwesenheit erfordern würde, Joe.«
»Okay, aber pack deine Pistole ein, ja? Wir machen eine Reise ins Indianerland.«
Es ist eine langweilige, rumpelnde Zugfahrt von Albacetes niedrigem grauem Bahnhof bis zum Meer. Den größten Teil der Strecke dösen Magnus und Joe vor sich hin. Joe hat einige Male nach Mads gefragt, dann aber schnell akzeptiert, dass Magnus nicht darüber sprechen will. Mercer wiederum will nichts davon hören, dass das Gold nur eine Legende ist, die erschöpfte Soldaten einander erzählen, oder ein Teil der allseits bekannten faschistischen Propaganda, die Stalin diskreditieren soll.
Den Großteil ihres Gepäcks haben sie in Albacete im Hotel gelassen. Magnus verliert kein Wort darüber, aber er hofft, dass Irina da sein wird, wenn er zurückkommt.Mercer sagt, er habe dort in ein paar Tagen eine Verabredung mit drei amerikanischen Kollegen. Die Zugverbindungen von Cartagena nach Valencia und Albacete sind ausgezeichnet. Albacete ist, wie Mercer berichtet, sehr stolz darauf, die vierte Stadt in Spanien gewesen zu sein, die eine Eisenbahnanbindung bekommen hat. Das ist einer der Gründe dafür, dass die Brigaden ihr Hauptquartier in dieser Stadt errichtet haben.
Joe ist eine wahre Goldgrube, was seltsame Informationen aller Art angeht, denkt Magnus und blickt auf seine abgewetzte Reisetasche, in der er seinen geladenen Revolver aufbewahrt. Er weiß, dass Mercer ebenfalls bewaffnet ist. Er hat ihm seine Colt-Maschinenpistole gezeigt, die er in einem maßgeschneiderten Schulterholster unter seiner locker fallenden Jacke trägt. Es ist eine Colt 9mm mit sieben Schuss im Magazin.
Magnus findet Cartagena deprimierend. Die zerstörten Gebäude und die herausgebrochenen Mauerstücke erinnern an die wiederholten Luftangriffe der deutschen Legion Condor. Es sind viele Soldaten in den unterschiedlichsten Uniformen unterwegs, aber die meisten tragen die blaue Uniform der Flotte. Hunde wühlen in
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