Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
Vom Netzwerk:
an, und sie sagten, sie würden sich noch eine Weile draußen vor dem Haus aufhalten. Es war eine laue Nacht, und durchs offene Fenster hörte ich sie plaudern und scherzen, während sie auf der Motorhaube ihres Wagens saßen und eine Zigarette rauchten. Beim Klang ihrer Stimmen fühlte ich mich mit einem Mal sehr einsam und der Welt entrückt. Man hatte mir gerade einen kolossalen Betrag für ein Buch angeboten, das mich unweigerlich wieder ins Rampenlicht befördern würde, ich führte ein Dasein, von dem Millionen Amerikaner nur träumen konnten, und doch fehlte mir etwas: ein echtes Leben.
    Die letzten Jahre hatte ich damit verbracht, meine Ambitionen zu befriedigen, die nächsten begann ich mit dem Versuch, diese Ambitionen aufrechtzuerhalten, aber bei genauerem Nachdenken fragte ich mich, ab wann ich eigentlich vorhatte, einfach nur zu leben. Ich ging in meinem Facebook-Account die Tausende meiner virtuellen Freunde durch, aber es war kein Einziger dabei, den ich hätte anrufen können, um mit ihm ein Bier trinken zu gehen. Ich sehnte mich nach einer Clique guter Freunde, mit denen ich mir die Hockeymeisterschaften ansehen und am Wochenende zum Zelten fahren konnte. Ich sehnte mich nach einer netten, süßen Freundin, die mich zum Lachen und auch ein bisschen zum Träumen brachte. Ich wollte nicht länger allein sein.
    Lange sah ich mir in Harrys Arbeitszimmer die Fotos an, die ich von dem Gemälde gemacht und von denen Gahalowood mir eine Vergrößerung überlassen hatte. Wer war der Maler? Caleb? Stern? Auf jeden Fall war das Bild sehr schön. Ich schaltete meinen Minidisc-Player ein und hörte mir noch einmal mein heutiges Gespräch mit Harry an.
    »Danke, Marcus, ich bin gerührt. Aber Freundschaft darf nicht der Auslöser für dieses Buch sein.«
    »Warum nicht?«
    »Erinnern Sie sich noch an unsere Unterhaltung an dem Tag, an dem Sie in Burrows Ihr Diplom bekommen haben?«
    »Ja, wir haben einen langen Spaziergang über den Campus gemacht und sind zum Boxraum gegangen. Sie haben mich gefragt, was ich jetzt vorhabe, und ich habe geantwortet, dass ich ein Buch schreiben will. Daraufhin haben Sie mich gefragt, warum ich schreibe. Ich habe gesagt, dass ich schreibe, weil es mir Spaß macht, und Sie haben mir geantwortet …«
    »Genau, was habe ich Ihnen geantwortet?«
    »Dass das Leben nur wenig Sinn hat und das Schreiben dem Leben einen Sinn gibt.«
    Harrys Rat befolgend, setzte ich mich an den Computer, um weiterzuschreiben.
    Goose Cove, Mitternacht. Durch das offene Fenster des Arbeitszimmers weht die sanfte Meeresbrise herein. Es riecht wohltuend nach Ferien. Draußen ist alles in hellen Mondschein getaucht.
    Die Ermittlungen kommen voran. Zumindest erschließt sich Sergeant Gahalowood und mir allmählich die Tragweite dieses Falls. Ich glaube, es steckt viel mehr dahinter als nur eine verbotene Liebesgeschichte oder ein niederträchtiges Verbrechen, bei dem eine junge Ausreißerin an einem Sommerabend einem Herumtreiber zum Opfer fiel. Es gibt noch zu viele ungeklärte Fragen:
    – 1969 sind die Kellergans aus Jackson in Alabama weggezogen, obwohl David, der Vater, dort eine florierende Kirchengemeinde leitete. Warum?
    – Im Sommer 1975 durchlebt Nola eine Liebesgeschichte mit Harry Quebert, die ihn dazu inspiriert,
Der Ursprung des Übels
zu schreiben. Gleichzeitig hat Nola aber ein Verhältnis mit Elijah Stern, der sie nackt malen lässt. Wer ist sie wirklich? Eine Art Muse?
    – Welche Rolle spielt Luther Caleb, der Nola, wie Nancy Hattaway mir anvertraut hat, wiederholt in Aurora abgeholt hat, um sie nach Concord zu bringen?
    – Wer außer Tamara Quinn wusste von Nola und Harry? Wer könnte Harry die anonymen Briefe geschickt haben?
    – Warum befragt Chief Pratt, der nach Nolas Verschwinden die Ermittlungen leitet, Harry nach Tamara Quinns Enthüllungen nicht? Hat er Stern befragt?
    – Wer zum Teufel hat Deborah Cooper und Nola Kellergan getötet?
    – Und wer ist dieser flüchtige Schatten, der mich davon abhalten will, diese Geschichte zu erzählen?
    Auszüge aus: DER URSPRUNG DES ÜBELS
von Harry L. Quebert
    Das Drama hatte sich an einem Sonntag ereignet. Sie war unglücklich und hatte sterben wollen.
    Ihr Herz hatte nicht mehr die Kraft zu schlagen, wenn es nicht für ihn schlug. Sie brauchte ihn zum Leben. Seit er das begriffen hatte, kam er jeden Tag zum Krankenhaus, um sie heimlich zu beobachten. Wieso hatte sich eine so hübsche Person wie sie nur umbringen wollen? Er machte sich

Weitere Kostenlose Bücher