selben Tisch. Ein sympathischer Mann. Danach habe ich ihn noch ein paarmal getroffen. Er war großzügig und glaubte an mich. Er hat sich um die Kultur sehr verdient gemacht und ist ein grundanständiger Mensch.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Zuletzt? Das muss beim Verkauf des Hauses gewesen sein, also Ende 1976. Aber warum zum Teufel haben Sie eigentlich von ihm angefangen?«
»Einfach nur so. Sagen Sie, Harry, dieser Sommerball, den Sie gerade erwähnt haben – war das der, bei dem Tamara Quinn gehofft hatte, Sie würden der Begleiter ihrer Tochter sein?«
»Genau der. Ich bin dann allein dort gewesen. Was für ein Abend! Stellen Sie sich vor, ich habe bei der Tombola den ersten Preis gewonnen: einen einwöchigen Aufenthalt auf Martha’s Vineyard.«
»Sie sind hingefahren?«
»Aber sicher.«
Als ich an diesem Abend nach Goose Cove zurückkam, fand ich eine Mail von Roy Barnaski vor, in der er mir ein Angebot unterbreitete, das man als Autor einfach nicht ausschlagen konnte.
Von:
[email protected] Gesendet: Montag, 30. Juni 2008 – 19:54
Lieber Marcus,
Ihr Buch gefällt mir. Im Nachgang zu unserem Telefonat von heute Morgen sende ich Ihnen im Anhang einen Vertragsentwurf, den Sie wohl kaum ablehnen werden.
Schicken Sie mir so schnell wie möglich mehr Text. Wie schon gesagt, plane ich die Veröffentlichung für Herbst. Ich glaube, es wird ein großer Erfolg. Besser gesagt, ich bin mir sicher. Warner Bros. ist angeblich an einer Verfilmung interessiert. Die Filmrechte wären freilich noch mit Ihnen auszuhandeln.
Im Anhang befand sich ein Vertragsentwurf, in dem er mir einen Vorschuss in Höhe von einer Million Dollar zusicherte.
Abends konnte ich nicht einschlafen, weil mir tausend Dinge durch den Kopf gingen. Punkt zweiundzwanzig Uhr dreißig rief meine Mutter an. Im Hintergrund waren Geräusche zu hören, und sie flüsterte.
»Mama?«
»Markie! Du errätst nie, mit wem ich hier bin!«
»Mit Papa?«
»Ja, das heißt, nein! Stell dir vor, dein Vater und ich haben beschlossen, uns einen schönen Abend in New York zu machen, und sind zum Essen zu diesem Italiener am Columbus Circle gegangen. Und wem laufen wir am Eingang in die Arme? Denise! Deiner Sekretärin!«
»Sieh einer an!«
»Spiel nicht das Unschuldslamm! Glaubst du, ich wüsste nicht, was du getan hast? Sie hat mir alles erzählt! Alles!«
»Was denn?«
»Dass du sie vor die Tür gesetzt hast!«
»Ich habe sie nicht vor die Tür gesetzt, Mama. Ich habe ihr eine gute Anstellung bei Schmid & Hanson verschafft. Ich hatte ihr nichts mehr zu bieten, kein Buch mehr, kein Projekt mehr, nichts! Ich musste doch irgendwie sehen, dass es für sie weitergeht, oder nicht? Also habe ich ihr einen Superjob in der Marketingabteilung besorgt.«
»Ach, Markie, wir sind uns in die Arme gefallen! Sie sagt, du fehlst ihr.«
»Verschone mich damit, Mama!«
Sie redete jetzt noch leiser. Ich hörte sie kaum noch. »Ich habe eine Idee, Markie.«
»Was für eine Idee?«
»Kennst du den großen Jack London?«
»Den Schriftsteller? Ja, aber was hat er damit zu tun?«
»Ich habe gestern Abend einen Dokumentarfilm über ihn gesehen. Was für ein himmlischer Zufall, dass ich die Sendung gesehen habe! Stell dir vor, er hat seine Sekretärin geheiratet. Seine Sekretärin! Und wen treffe ich heute? Deine Sekretärin! Das ist ein Zeichen, Markie! Sie ist gar nicht so übel, und vor allem strotzt sie vor Östrogenen! Ich weiß das, wir Frauen spüren das. Sie ist fruchtbar und gefügig und wird dir alle neun Monate ein Kind schenken! Ich werde ihr zeigen, wie man Kinder großzieht, dann werden alle so, wie ich sie haben will! Wäre das nicht wundervoll?«
»Kommt nicht infrage. Sie gefällt mir nicht. Sie ist zu alt für mich und hat schon einen Freund. Außerdem heiratet man seine Sekretärin nicht.«
»Aber wenn es sogar der große Jack London gemacht hat, ist es statthaft! Gut, sie hat jemanden dabei, aber der Kerl ist ein Waschlappen. Er riecht nach billigem Eau de Cologne. Du bist ein großer Schriftsteller, Markie. Du bist Der Fabelhafte !«
» Der Fabelhafte ist von Marcus Goldman besiegt worden, Mama. Und seitdem habe ich endlich angefangen zu leben.«
»Was willst du damit sagen?«
»Nichts, Mama. Aber lass Denise bitte in Ruhe zu Abend essen.«
Eine Stunde später kam eine Polizeistreife vorbei, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Es waren zwei junge, sehr sympathische Beamte in meinem Alter. Ich bot ihnen Kaffee