Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
Vom Netzwerk:
wir können ab jetzt keine Freunde mehr sein.«
    »Warum? Wegen der Sache mit dem Haus? Ich werde für alles geradestehen, das habe ich Ihnen doch gesagt!«
    »Sie begreifen es immer noch nicht, Marcus. Es geht nicht ums Haus.«
    Für einen kurzen Moment ließ ich die Deckung sinken, und sofort verpasste er mir mehrere Geraden gegen die rechte Schulter. »Nehmen Sie die Deckung hoch, Marcus! Wenn das Ihr Kopf gewesen wäre, hätte ich Sie fertiggemacht!«
    »Ich pfeife auf meine Deckung! Ich will wissen, was dieses Ratespiel soll!«
    »Das ist kein Spiel. An dem Tag, an dem Sie es begreifen, haben Sie den Fall gelöst.«
    Ich hielt mitten in der Bewegung inne. »Großer Gott, was erzählen Sie da? Sie verheimlichen mir etwas, stimmt’s? Sie haben mir nicht die ganze Wahrheit gesagt!«
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, Marcus. Sie halten die Wahrheit in Ihren Händen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich weiß. Aber wenn Sie es erst begriffen haben, sieht alles anders aus. Das ist eine entscheidende Phase in Ihrem Leben.«
    Verdrossen ließ ich mich auf den Betonboden sinken. Er brüllte mich an, dass es nicht der richtige Moment sei, um mich hinzusetzen. »Stehen Sie auf! Na, los!«, rief er. »Wir betreiben hier die edle Kunst des Boxens!«
    Aber ich hatte mit edler Boxkunst nichts mehr am Hut. »Das Boxen hatte für mich nur durch Sie einen Sinn, Harry! Erinnern Sie sich an die Boxmeisterschaft 2002?«
    »Natürlich erinnere ich mich … Wie könnte ich sie vergessen?«
    »Warum sollten wir keine Freunde mehr sein?«
    »Wegen der Bücher. Die Bücher haben uns zusammengeführt, jetzt trennen sie uns. So stand es geschrieben.«
    »Geschrieben? Wo?«
    »Es steht alles in den Büchern … Marcus, von dem Tag an, als ich Sie zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, dass dieser Moment irgendwann kommen würde.«
    »Welcher Moment?«
    »Es hat etwas mit dem Buch zu tun, an dem Sie schreiben.«
    »Mit meinem Buch? Wenn Sie wollen, verzichte ich darauf! Soll ich alles abblasen? Kein Problem, ich blase die Sache ab. Es wird kein Buch geben! Ende der Geschichte.«
    »Das würde leider nichts nützen. Wenn es nicht dieses Buch ist, wird es ein anderes sein.«
    »Harry, was reden Sie da? Ich verstehe kein Wort.«
    »Sie werden dieses Buch schreiben, und es wird ein wunderbares Buch werden, Marcus. Darüber bin ich sehr froh, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber für uns ist der Augenblick der Trennung gekommen. Ein Schriftsteller geht, und der Nächste wird geboren. Sie werden meine Nachfolge antreten, Marcus. Sie werden ein herausragender Schriftsteller werden. Sie haben die Rechte an Ihrem Manuskript für eine Million Dollar verkauft! Eine Million Dollar! Sie werden ganz groß herauskommen, Marcus, das habe ich immer gewusst.«
    »Was um Himmels willen versuchen Sie mir zu sagen?«
    »Marcus, der Schlüssel liegt in den Büchern. Sie haben ihn vor Augen. Schauen Sie hin, schauen Sie gut hin! Sehen Sie, wo wir sind?«
    »Auf dem Parkplatz eines Motels!«
    »Nein, Marcus! Nein! Am Ursprung des Übels! Vor diesem Augenblick habe ich mich über dreißig Jahre lang gefürchtet!«

    Boxraum auf dem Campus des Burrows College, Februar 2002
    »Ihre Handhaltung stimmt nicht, Marcus. Das erste Glied Ihres Mittelfingers steht zu weit vor, deshalb wird er beim Zuschlagen aufgeschürft.«
    »Wenn ich Handschuhe anhabe, spüre ich es nicht mehr.«
    »Sie müssen mit bloßen Fäusten boxen können. Die Handschuhe sind nur dazu da, dass Sie Ihren Gegner nicht umbringen. Sie werden es merken, wenn Sie nicht immer nur gegen den Sack boxen.«
    »Harry? Was glauben Sie, warum ich immer allein boxe?«
    »Das müssen Sie sich schon selbst fragen.«
    »Weil ich Angst habe, denke ich. Ich habe Angst vor einer Niederlage.«
    »Als Sie auf meinen Rat hin nach Lowell in diesen Boxclub gefahren sind und dieser schwarze Riese Sie fast massakriert hat, was haben Sie da empfunden?«
    »Stolz … Als es vorbei war, war ich stolz. Und als ich am nächsten Tag die blauen Flecken an meinem Körper gesehen habe, habe ich mich gefreut: Ich war über mich selbst hinausgewachsen und hatte mich getraut! Ich hatte mich getraut zu kämpfen!«
    »Sie hatten also das Gefühl, gewonnen zu haben …«
    »Letztendlich schon. Obwohl ich den Kampf, rein technisch gesehen, verloren hatte, hatte ich an jenem Tag das Gefühl, gewonnen zu haben.«
    »Genau darum geht es. Es kommt nicht darauf an, ob Sie siegen oder verlieren, Marcus. Was zählt, ist der Weg, den Sie zwischen

Weitere Kostenlose Bücher