Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
das nie gesagt?«
»Mama, ich muss jetzt auflegen. Ich habe einen Telefontermin.«
»Was ist ein Telefontermin?«
»Ein Termin, bei dem man miteinander telefoniert.«
»Und warum machen wir beiden keine Telefontermine?«
»Weil Telefontermine mit der Arbeit zu tun haben, Mama.«
»Wer ist dieser Roy, mein Schatz? Ist das der nackte Mann, der sich in deinem Zimmer versteckt hält? Du kannst mir alles sagen, ich bin auf alles gefasst. Warum willst du mit diesem Unhold Telefontermine machen?«
»Roy ist mein Verleger, Mama. Du kennst ihn aus New York.«
»Weißt du, Markie, ich habe mit dem Rabbi über deine sexuellen Probleme gesprochen. Er sagt …«
»Mama, das reicht. Ich lege jetzt auf. Gib Papa einen Kuss.«
13. Telefonkonferenz (mit dem Grafikteam)
Ein Brainstorming fand statt, um das Buchcover auszuwählen.
»Ein Foto von Ihnen käme infrage«, meinte Steven, der Chefgrafiker.
»Oder ein Foto von Nola«, schlug sein Assistent vor.
»Ein Foto von Caleb würde sich gut machen, oder nicht?«, rief der Praktikant in den Raum.
»Und wenn wir ein Foto vom Wald nehmen würden?«, regte der Assistent an.
»Ja, etwas Düsteres, Beklemmendes wäre vielleicht nicht schlecht«, pflichtete Barnaski ihm bei.
»Oder etwas ganz Schlichtes?«, wagte ich mich schließlich vor. »Eine Ansicht von Aurora mit zwei scherenschnittartigen, nicht zu erkennenden Figuren im Vordergrund, die man für Harry und Nola halten könnte, wie sie nebeneinander die Route 1 entlanggehen.«
»Mit schlicht wäre ich vorsichtig«, warnte Steven. »Schlicht ist langweilig, und langweilig verkauft sich nicht.«
21. Telefonkonferenz (mit den Rechts-, Grafik- und Marketingteams)
Ich hörte Richardson aus der Rechtsabteilung fragen: »Möchten Sie einen Donut?«
Ich antwortete: »Hä? Ich? Nein.«
»Er meinte nicht Sie«, erklärte mir der Grafiker Steven, »sondern Sandra vom Marketing.«
Barnaski wurde ungehalten: »Könnte man diese Futterei unterlassen und die Diskussion nicht andauernd unterbrechen, um sich Kaffee und Gebäck anzubieten? Ist das hier ein Kaffeeklatsch, oder arbeiten wir an einem Bestseller?«
Während mein Buch also immer konkretere Gestalt annahm, traten die Ermittlungen in der Mordsache Chief Pratt auf der Stelle. Gahalowood hatte mehrere Ermittlungsbeamte der Kriminalpolizei hinzugezogen, doch sie machten keine Fortschritte. Es gab keinerlei Anhaltspunkte, keine einzige verwertbare Spur. In einer Truckerkneipe am Ortsausgang, in die sich Gahalowood manchmal flüchtete, um Billard zu spielen, unterhielten wir uns ausführlich über das Thema.
»Das hier ist mein Schlupfwinkel«, verriet er mir und reichte mir ein Queue, um die Partie zu beginnen. »In der letzten Zeit war ich oft hier.«
»Das war keine einfache Zeit für Sie, was?«
»Geht schon wieder … Immerhin konnten wir den Fall Kellergan lösen. Das ist die Hauptsache, auch wenn die Geschichte mehr Schmutz aufgewirbelt hat, als ich gedacht hätte. Den Schwarzen Peter hat wie immer der Staatsanwalt. Schließlich wird er von den Bürgern gewählt.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Der Gouverneur ist zufrieden, der Polizeichef ist zufrieden, also sind alle zufrieden. Übrigens denkt man an höherer Stelle darüber nach, eine Abteilung für ungelöste Fälle einzurichten, und möchte, dass ich sie übernehme.«
»Ungelöste Fälle? Ist es nicht frustrierend, wenn man weder einen Täter noch ein Opfer hat? Da geht es doch im Grunde nur um die Toten …«
»Nein, auch um die Lebenden. Im Fall von Nola Kellergan hatte der Vater ein Recht darauf zu erfahren, was seiner Tochter zugestoßen ist, und mit Quebert wäre um ein Haar ein Unschuldiger vor Gericht gestellt worden. Die Justiz muss ihre Arbeit zu Ende führen können, auch noch Jahre nach der Tat.«
»Und was ist mit Caleb?«, fragte ich.
»Ich glaube, dem Burschen ist die Sicherung durchgebrannt. In solchen Fällen handelt es sich nämlich entweder um eine Kurzschlusshandlung, oder man hat es mit einem Serientäter zu tun, aber in den Jahren vor Nolas Entführung gab es keinen ähnlichen Fall in der Gegend.«
Ich nickte.
»Der einzige Punkt, der mir keine Ruhe lässt«, gestand Gahalowood, »ist die Sache mit Pratt. Wer hat ihn umgebracht? Und warum? In unserer Gleichung gibt es noch eine Unbekannte, und ich habe das dumme Gefühl, dass wir sie nie herauskriegen werden.«
»Grübeln Sie immer noch über Stern nach?«
»Ich habe da so meine Vermutungen … Ich habe Ihnen doch von meiner
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