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Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
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wollen, wie Sie die Mutter beschrieben haben. Goldman, Sie sind ein Genie! Das Mittagessen geht auf mich.«
    Ich verzog das Gesicht und erwiderte: »Das überzeugt mich nicht, Roy. Ich hätte gern noch ein wenig Zeit, um weiterzuforschen.«
    »Sie sind nie überzeugt, Sie armes Schwein! Wir haben nicht die Zeit, um zu forschen, wie Sie es nennen! Sie sind ein Dichter, Sie glauben, dass die Zeit, die verrinnt, einen Sinn hat, aber Zeit, die verrinnt, bedeutet entweder Geld, das man verdient, oder Geld, das man verliert. Ich bin ein glühender Anhänger der ersten Option. Aber was soll’s, vielleicht haben Sie mitgekriegt, dass wir seit gestern einen neuen Präsidenten haben. Er sieht gut aus und ist sehr populär. Meinen Berechnungen nach werden wir gut eine Woche lang auf vollen Kanälen von ihm hören. Eine Woche, in der es nur um ihn gehen wird. Es wäre also völlig zwecklos, in dieser Zeit an die Medien heranzutreten, wir würden es bestenfalls zu einer Kurzmeldung in der Rubrik ›Überfahrene Hunde‹ bringen. Ich werde die Presse also erst in einer Woche kontaktieren, was Ihnen ein wenig Zeit verschafft. Es sei denn natürlich, eine Gruppe Südstaatler mit Spitzhüten murkst unseren frischgebackenen Präsidenten ab, dann würden wir es gut einen Monat lang nicht auf die Titelseite schaffen. Jawohl, gut einen Monat lang! Stellen Sie sich das Desaster vor: In einem Monat beginnt die Weihnachtszeit, und dann kräht kein Hahn mehr nach unserer Story. Wir werden die Sache mit der Kindheitspsychose also in einer Woche unters Volk streuen, und zwar in Form von Zeitungsbeilagen und dem ganzen Trallala. Mit mehr Luft würde ich auf die Schnelle einen kleinen Elternratgeber herausbringen, etwas in der Art von: Kindheitspsychosen erkennen oder: Wie Sie verhindern, dass Ihr Kind zu einer zweiten Nola Kellergan wird und Sie im Schlaf bei lebendigem Leib verbrennt. Das könnte einschlagen wie eine Bombe. Aber wir haben nicht die Zeit.«
    Mir blieb also eine Woche, bevor Barnaski die Katze aus dem Sack ließ. Eine Woche, um zu begreifen, was mir noch schleierhaft war. Vier Tage vergingen: vier nutzlose Tage. Ich telefonierte immer wieder mit Gahalowood, aber auch der gab sich geschlagen. Die Ermittlungen steckten in einer Sackgasse, er kam nicht voran. Dann änderte ein Vorfall in der Nacht des fünften Tages den Verlauf der Ermittlungen. Es war der 10. November, kurz nach Mitternacht. Bei einer routinemäßigen Streifenfahrt nahm der Polizeibeamte Dean Forsyth auf der Strecke von Montburry nach Aurora die Verfolgung eines Wagens auf, der ein Stoppschild missachtet hatte und schneller als erlaubt fuhr. Die Sache hätte als banale Ordnungswidrigkeit durchgehen können, hätte das Verhalten des Fahrers, der hektisch wirkte und übermäßig schwitzte, den Polizisten nicht neugierig gemacht.
    »Woher kommen Sie, Sir?«, hatte Officer Forsyth gefragt.
    »Aus Montburry.«
    »Was haben Sie dort gemacht?«
    »Ich … Ich war bei Freunden.«
    »Die Namen bitte!«
    Das Zögern und der Anflug von Panik im Blick des Fahrers machten Officer Forsyth endgültig stutzig. Er richtete seine Taschenlampe auf das Gesicht des Mannes und bemerkte einen Kratzer auf seiner Wange. »Was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«
    »Ein tief hängender Ast, den ich nicht gesehen habe.«
    Das überzeugte den Officer nicht. »Warum sind Sie so schnell gefahren?«
    »Ich … Es tut mir leid. Ich hatte es eilig. Sie haben recht, ich hätte nicht …«
    »Haben Sie getrunken, Sir?«
    »Nein.«
    Der Alkoholtest ergab, dass der Mann tatsächlich nichts getrunken hatte. Das Fahrzeug befand sich in ordnungsgemäßem Zustand, und als der Polizeibeamte mit dem Lichtstrahl seiner Taschenlampe das Wageninnere ausleuchtete, entdeckte er auch keine leeren Medikamentenschachteln oder anderes Verpackungsmaterial, wie sie bei Drogensüchtigen für gewöhnlich auf dem Rücksitz herumlagen. Trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl: Seine innere Stimme sagte ihm, dass der Mann viel zu nervös und gleichzeitig zu ruhig war. Plötzlich bemerkte er etwas, was er bislang übersehen hatte: Seine Hände waren schmutzig, seine Schuhe schlammverdreckt und seine Hose klatschnass.
    »Steigen Sie aus, Sir«, befahl Forsyth.
    »Warum? Was … Was soll das?«, stammelte der Fahrer.
    »Befolgen Sie meine Anweisung, und steigen Sie aus.«
    Der Mann sträubte sich, woraufhin Officer Forsyth ihn genervt aus dem Wagen zerrte und wegen Nichtbefolgens einer polizeilichen Anweisung festnahm. Er brachte

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