Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Titel: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Dicker
Vom Netzwerk:
Lieber hätte ich etwas mit dir unternommen.«
    »Kann ich mitkommen?«
    »Nein … Ich meine, du würdest dich nur langweilen.«
    »Dieses Hemd steht Ihnen sehr gut, Harry.«
    »Danke.«
    »Harry … Ich habe mich in Sie verliebt. An dem Regentag, an dem ich Sie am Strand getroffen habe, habe ich mich Hals über Kopf in Sie verliebt. Und: Ich möchte bis ans Ende meines Lebens mit Ihnen zusammen sein!«
    »Hör auf, Nola. Das darfst du nicht sagen.«
    »Warum denn nicht? Es ist die Wahrheit! Ich ertrage es nicht, auch nur einen Tag von Ihnen getrennt zu sein! Immer wenn ich Sie sehe, kommt mir mein Leben viel schöner vor! Aber Sie, Sie können mich nicht leiden stimmt’s?«
    »Aber nein! Äh, doch.«
    »Ich weiß genau, dass Sie mich hässlich finden. Und in Rockland fanden Sie mich bestimmt langweilig. Deshalb haben Sie nichts von sich hören lassen. Sie halten mich für ein hässliches, dummes, langweiliges kleines Kind.«
    »Red keinen Unsinn. Komm, ich bringe dich nach Hause.«
    »Sagen Sie allerliebste Nola zu mir … Sagen Sie es noch einmal zu mir.«
    »Ich kann nicht, Nola.«
    »Bitte!«
    »Ich kann nicht. Diese Worte sind verboten!«
    »Aber warum? Warum um Himmels willen? Warum können wir uns nicht einfach lieben, wenn wir uns doch lieben?«
    Er wiederholte: »Komm, Nola. Ich fahre dich nach Hause.«
    »Aber, Harry, wozu leben wir, wenn wir nicht lieben dürfen?«
    Er antwortete nicht, sondern zog sie hinter sich her zum schwarzen Chevrolet. Sie weinte.
    Es war nicht Harry Quebert, der geklingelt hatte, sondern Amy Pratt, die Frau des Polizeichefs von Aurora. Sie ging in ihrer Eigenschaft als Organisatorin des Sommerballs, eines der bedeutendsten Ereignisse der Stadt, das in diesem Jahr am Samstag, den 19. Juli, stattfand, von Tür zu Tür. Als die Türglocke ging, hatte Tamara ihre halb nackte Tochter und ihren Mann nach oben gescheucht. Voller Erleichterung stellte sie dann fest, dass nicht etwa ihr berühmter Gast draußen vor der Tür stand, sondern Amy Pratt, die gekommen war, um Tombolalose für den Ballabend zu verkaufen. Als Hauptgewinn winkte in diesem Jahr ein einwöchiger Aufenthalt in einem traumhaften Hotel auf der Insel Martha’s Vineyard in Massachusetts, wo zahlreiche Stars Urlaub machten. Als Tamara dies hörte, fingen ihre Augen an zu leuchten. Sie erstand gleich zwei Heftchen Tombolakarten, und obwohl der Anstand es geboten hätte, ihrer Besucherin wenigstens eine Orangenlimonade anzubieten, und sie die Frau eigentlich schätzte, setzte sie Amy Pratt ungerührt vor die Tür, weil es mittlerweile fünf vor sechs war. Da kam Jenny, die sich wieder beruhigt hatte, in einem schlichten grünen Sommerkleid herunter, das ihr entzückend stand, gefolgt von ihrem Vater, der sich einen Dreiteiler angezogen hatte.
    »Das war nicht Harry Quebert, sondern Amy Pratt«, verkündete Tamara blasiert. »Ich wusste gleich, dass er es nicht ist. Ihr Hasenfüße, ihr hättet euch mal sehen sollen, wie ihr davongeflitzt seid! Ha! Ich wusste gleich, dass er es nicht ist, weil er dafür viel zu schick ist. Schicke Leute kommen nie zu früh. Das ist noch unhöflicher, als zu spät zu sein. Merk dir das, Bobbo. Du hast doch immer Angst, dass du zu spät zu deinen Terminen kommst.«
    Die Wohnzimmeruhr schlug sechsmal, und die Familie Quinn brachte sich hinter der Haustür in Stellung.
    »Bitte bleibt ganz natürlich!«, bat Jenny flehentlich.
    »Wir sind doch ganz natürlich«, entgegnete ihre Mutter. »Nicht wahr, Bobbo? Wir sind ganz natürlich.«
    »Ja, Bibichette. Aber ich glaube, ich kriege schon wieder Blähungen. Ich fühle mich wie ein Dampftopf kurz vor der Explosion.«
    Wenige Minuten später klingelte Harry bei den Quinns. Nola hatte er in einer Straße unweit ihres Elternhauses abgesetzt, damit man sie nicht zusammen sah. Er hatte sie in Tränen aufgelöst zurückgelassen.

    Jenny erzählte mir, dass der Abend des 4. Juli für sie wunderschön gewesen sei. Sichtlich bewegt, schilderte sie den Besuch auf dem Rummelplatz, das Abendessen und das Feuerwerk über den Dächern von Concord.
    Ich schloss aus der Art und Weise, wie sie über Harry sprach, dass sie nie aufgehört hatte, ihn zu lieben, und dass die Abneigung, die sie ihm gegenüber heute hegte, vor allem Ausdruck der Kränkung darüber war, dass er sie wegen Nola hatte sitzen lassen, wegen der kleinen Samstagskellnerin, für die er ein Meisterwerk geschrieben hatte.
    Bevor ich ging, fragte ich noch: »Jenny, wer kann mir deiner Meinung nach

Weitere Kostenlose Bücher