Die Wahrheit
darauf.«
»Wie wäre es dann mit ein bißchen inoffizieller Hilfe?«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich habe in Richmond gemeinsam mit den Detectives jede Menge Mordfälle bearbeitet. Viel gelernt, und vieles behalten. Vielleicht kann ich Ihr neuer Partner sein.«
»Offiziell ist das völlig unmöglich.«
»Offiziell ist mir das völlig klar.«
»Was machen Sie heute so?«
»Ich bin Strafverteidiger«, sagte Fiske. Chandler verdrehte die Augen. »Und ich bin stolz auf meine Arbeit, Detective Chandler.«
Chandler nickte über Fiskes Schulter hinweg zur Tür. »Machen Sie die bitte mal zu, ja?« Er sagte nichts mehr, bis Fiske seinem Wunsch entsprochen und wieder Platz genommen hatte.
»Wider besseren Wissens werde ich über Ihr Angebot nachdenken.«
Fiske schüttelte den Kopf. »Ich bin jetzt hier. Sie wissen so gut wie ich, daß die Spuren in einem Mordfall nach achtundvierzig Stunden kälter werden als die Antarktis.« Fiske befürchtete, den Mann damit gegen sich aufzubringen, doch Chandler blieb ruhig.
»Haben Sie eine Visitenkarte mit Ihrer Adresse?« fragte er schließlich.
Fiske schrieb seine Privatnummer auf die Rückseite der Karte und gab sie dem Detective. Im Gegenzug schob Chandler ihm eine Karte mit einer Reihe von Telefonnummern darauf hinüber. »Büro, Privatnummer, Pieper, Fax, Handy - falls ich es mal dabei habe, was aber so gut wie nie der Fall ist.«
Chandler öffnete eine Akte auf seinem Schreibtisch und studierte sie. Obwohl die Buchstaben für ihn auf dem Kopf standen, konnte Fiske auf dem Aufkleber den Namen seines Bruders lesen.
»Man hat mir gesagt, er sei im Rahmen eines Raubüberfalls getötet worden.«
»Darauf haben zumindest die ersten Ermittlungen hingedeutet.«
Fiske fiel die seltsame Ausdrucksweise auf. »Aber mittlerweile sind Sie anderer Ansicht?«
»Wie gesagt, das war nur unser Anfangsverdacht.« Er klappte die Akte zu und blickte Fiske an. »Die Fakten liegen in diesem Fall ganz einfach, zumindest, soweit wir sie bislang kennen. Ihr Bruder wurde in einer Seitenstraße in der Nähe des Anacostia River auf dem Fahrersitz seines Wagens gefunden, mit einer Eintrittswunde in der rechten Schläfe - der Schuß wurde aus nächster Nähe abgegeben - und einer Austrittswunde in der linken. Es scheint sich um ein ziemlich schweres Kaliber zu handeln. Wir haben die Kugel nicht gefunden, suchen aber noch danach. Vielleicht hat der Mörder sie gefunden und mitgenommen, damit wir keine ballistische Untersuchung durchführen können, falls wir je eine Waffe finden, die wir zu einem Vergleich heranziehen könnten.«
»Man muß schon ziemlich kaltblütig sein, um auf der Straße nach einer Kugel zu suchen, während ein paar Meter entfernt ’ne Leiche hockt.«
»Da gebe ich Ihnen recht. Aber, wie gesagt, vielleicht finden wir die Kugel ja noch.«
»Und seine Brieftasche fehlt?«
»Drücken wir es mal so aus: Wir haben keine gefunden. Hat er normalerweise eine bei sich getragen?«
Fiske wandte kurz den Blick ab. »Wir haben uns in den letzten Jahren nicht oft gesehen, aber ich denke schon, daß Sie davon ausgehen können. Also haben Sie die Brieftasche auch nicht in seiner Wohnung gefunden?« »Immer mit der Ruhe, John. Die Leiche Ihres Bruders wurde erst gestern entdeckt.« Chandler öffnete sein Notizbuch und griff nach einem Kugelschreiber. »In der Gasse, in der er gefunden wurde, halten sich unter anderem ziemlich viele Drogensüchtige auf. Hat er Ihres Wissens Drogen genommen? Gelegentlich oder regelmäßig?«
»Nein. Er hat keine Drogen genommen.«
»Aber Sie können sich da nicht ganz sicher sein, oder? Sie haben gerade gesagt, sie beide hätten sich nicht so oft gesehen, nicht wahr?«
»Mein Bruder hat sich bei allem, was er tat, die höchsten Ziele gesetzt und diese Ziele dann übertroffen. Drogen passen nicht in diese Gleichung.«
»Haben Sie eine Ahnung, was er in dieser Gegend zu suchen hatte?«
»Nein, aber er könnte irgendwo anders entführt und dann dorthin gefahren worden sein.«
»Kennen Sie jemanden, der ihn tot sehen wollte?«
»Mir fällt niemand ein.«
»Keine Feinde? Eifersüchtige Liebhaber? Geldprobleme?«
»Nein. Aber auch in dieser Hinsicht bin ich wahrscheinlich nicht Ihre beste Quelle. Haben Sie schon eine vorläufige Todeszeit?«
»Noch keine genaue. Ich warte auf den offiziellen Bericht. Warum?«
»Ich komme gerade aus dem Leichenschauhaus. Ich habe die Hand meines Bruders berührt. Sie war weich, geschmeidig. Die Totenstarre ist schon
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