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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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Mann aus Bangladesch sich mit einem Schotten verständigt, wobei beide das sprechen, was sie für Englisch halten, und keiner den anderen versteht, bis sie aufschreiben, was sie meinen?
    Oscar Wilde hat einmal über England bemerkt: »Wir haben heute wirklich alles mit Amerika gemeinsam, außer der Sprache natürlich.«
    Wenn wir alle daheim sind, sprechen in unserem Haus zwei Leute Englisch – Paige und ich – und zwei sprechen Mandarin, die Reinigungsfrau und die Gouvernante, die zwar mit uns Englisch sprechen, aber mit den Kindern und in deren Anwesenheit auch miteinander ausschließlich Mandarin sprechen dürfen. Soweit ich es beurteilen kann, ist Englisch die Standardsprache der Kinder, zumindest wenn wir anwesend sind, aber manchmal sprechen sie auch einfach Mandarin miteinander. Ich weiß nicht, wodurch das ausgelöst wird. Wenn sie erst einmal Teenager sind, werde ich ihre Gesprächsthemen wahrscheinlich nicht einmal dann verstehen, wenn sie Englisch reden, aber wenn sie Mandarin sprechen, werde ich bestimmt nicht wissen, worum es geht. Sie wissen das, und ich bin mir sicher, dass sie hinter Papas Rücken alles Mögliche sagen werden. Und das ist ja auch gut so.
    Baby Bee bekommt außerdem jede Woche vier Unterrichtsstunden in Spanisch. Ich weiß nicht, ob das etwas bringen wird. Manchmal treffe ich einen Mann, einen Redakteur bei Time Inc., der früher in Paris arbeitete. Folglich sprach sein fünfjähriger Sohn perfekt Französisch. Aber als der Junge elf Jahre alt war und nicht mehr in Frankreich lebte, hatte er keine Ahnung mehr von Französisch. Bis zum heutigen Tag kann der junge Mann Französisch kaum von Griechisch unterscheiden.
    Während unseres ersten Sommers in Schanghai war Happy zwei Jahre alt, und die Leute fragten sie: »Wie hast du Chinesisch gelernt?« Sie konnte die Frage nicht verstehen, weil sie Chinesisch nicht »lernte«. Sie wuchs einfach mit Mandarin auf und kam zu der Sprache etwa so, wie ich Englisch gelernt habe. Alles, was sie wusste, war: Manche Leute reden so und andere Leute reden so. Und wenn ich mit ihnen reden will, dann spreche ich so wie sie. Sie wusste nicht, dass sie Chinesisch »gelernt« hatte. Bei Baby Bee konnte man fast sehen, wie ihr ein Licht aufging: Ich merke, dass es hier zwei verschiedene Sprachen gibt. Ich kann sie beide sprechen, aber nicht jeder kann das, auch nicht mein armer, dummer Papa . Gerne flüsterte sie Europäern und Amerikanern auf Englisch und Asiaten auf Mandarin zu: »Mein Papa spricht kein Chinesisch.« Ich weiß nicht, ob ihr das peinlich war und sie sich für die schändliche Ignoranz ihres Vaters entschuldigte oder ob sie nur höflich Informationen an andere weitergab, um sie darüber zu informieren, was sie nun wusste.
    Happy und Baby Bee sprechen das, was man als CCTV-Mandarin bezeichnet; das Standard-Mandarin, wie es im chinesischen Fernsehen (China Central Television, CCTV) gesprochen wird. Das ist sozusagen das Äquivalent des BBC-Englisch, des Standards für die Aussprache nach Art der Queen. In Singapur wird oft ein recht schlechtes Mandarin gesprochen. Die Singapurer können sich in China oft nur schwer verständlich machen. 1979 startete Singapur eine jährlich stattfindende Initiative, die Speak Mandarin Campaign (SMC). Sie verfolgte das Ziel, den Gebrauch von gutem und korrektem Mandarin zu fördern und den Gebrauch anderer chinesischer Dialekte zu minimieren, die sich in Singapur breitgemacht hatten. Die Kampagne von 2009 beinhaltete eine Reihe von Videos, in denen ausländische Kinder zu sehen waren, die ein fließendes und korrekt artikuliertes Mandarin sprachen. Darunter waren auch weiße Kinder, zum Beispiel Happy und Baby Bee.
    Mit unserem Segen und unseren guten Wünschen gingen Happy und ihr chinesisches Kindermädchen Shirley in New York nach Chinatown, um dort ein chinesisches Dessert zu kaufen. Für Shirley war das eine gute Möglichkeit, Happy mit Mandarin zu konfrontieren. Einmal waren sie in einem Laden, wo nur Mandarin gesprochen wurde, und Happy fragte die Besitzerin nach Milch. Daraufhin unterhielt sie sich wie eine Lehrerin in Mandarin mit ihr.
    »Du trinkst Milch?«, fragte sie.
    Happy antwortete: »Ja.«
    »Was trinkt dein Kindermädchen?«
    »Sie trinkt Wasser.«
    »Was trinkt dein Vater?«
    »Mein Vater trinkt Wassermelonensaft.«
    »Happy, was trinkt deine Mutter?«
    Happy antwortete auf Englisch.
    »Wein«, sagte sie.
    Shirley kam heim und erzählte uns die Geschichte. Paige war natürlich beschämt.

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