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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Bruce
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ins Stottern.
    »Was möchten Sie? Was haben Sie getan, Bran?«
    »Ich muss mit dem Marschall darüber sprechen. Er war aber gestern nicht an seinem Platz, obwohl wir eine Verabredung hatten. Das gehört sich nicht. Die Welt bricht auseinander, Elba. Ohne eine starke Führung werdet ihr nicht überleben, und ein Mann, der seine Pflichten vernachlässigt, ist kein starker Führer.«
    »Gerade die Starken wissen manchmal nur wenig über Stärke.«
    Ich weiß nicht, was sie damit meint. Sie dreht sich rasch um und sagt: »Es ist schon spät. Ich muss früh raus. Ich glaube, Sie sollten jetzt gehen.«
    Ich bin entlassen, vielleicht sogar ein bisschen unsanft. An der Tür nimmt sie mich jedoch beim Arm und sagt leise: »Auch wenn ich Ihnen nicht helfen kann, eines Tages bekommen Sie Ihre Antworten bestimmt. Da bin ich mir sicher.« Damit schließt sie die Tür, und ich stehe allein in der kühlen Nacht.
    Ich wandere langsam zurück zum Unterstand. Die Stadt liegt im Dunkeln. Kein Mond scheint. Um mich herum huschen einzelne Gestalten durch die Dunkelheit, die Köpfe in ihren Mänteln verborgen. Einen packe ich bei der Schulter, als er vorbeischlurft. Ich drehe ihn zu mir herum, und die Kapuze rutscht ihm vom Kopf. Ein ausdrucksloses Gesicht. »Kennen Sie mich?«, frage ich. Ich spreche tief aus der Kehle. Er schüttelt den Kopf. »Kennen Sie Bran?« Er schüttelt den Kopf und will sich losreißen. »Vor zehn Jahren –«
    Er unterbricht mich. »Da war ich noch nicht hier.« Er windet sich los und entschlüpft in die Dunkelheit.
    Als ich in Sichtweite des Rathauses bin, sehe ich eine Gestalt in den Hof eilen. Mich sieht sie, glaube ich, nicht. An Gang und Statur erkenne ich den Marschall und setze ihm nach. Als ich zum Hof komme, ist niemand mehr da. Eine Lampe in der Mitte erhellt ein wenig die umliegenden Gebäude.
    Ich gehe zur Tür des Marschalls und bin im Begriff anzuklopfen, nehme die Hand aber herunter und probiere stattdessen die Klinke. Die Tür öffnet sich.
    Meine Augen müssen sich erst an die Dunkelheit im Innern gewöhnen. Dann sehe ich, dass der Boden mit einer dünnen Staubschicht überzogen ist. Auch sonst alles. Der Staub kommt in dieser Stadt überallhin. Ich sehe auf den Boden und suche nach den Fußabdrücken des Marschalls. Keine da. Er muss woanders eingetreten sein. Da die meisten Büros miteinander verbunden sind, besteht noch Aussicht, ihn zu finden. Aber ich werde leise sein. Vielleicht gelingt es mir ja, Aufschluss darüber zu erhalten, was hier vorgeht, wenn niemand weiß, dass ich da bin.
    Gehe ich jetzt durch das Gebäude, werden sie an den Fußabdrücken sehen, dass jemand da war. Aber das macht nichts.Sie sollen es wissen. Ich steige die Treppe hinauf. Die Stufen knarren, aber so leise, dass jemand, der ein paar Schritte entfernt steht, es schon nicht mehr hört. Ich komme an dem Treppenabsatz vorbei, der ein Fenster mit Blick auf den Hof hat. Ich erstarre. Unten steht ein Mann und schaut auf die Tür. Mich wird er nicht sehen können. Ich wiederum kann ihn nicht erkennen, sehe sein Gesicht nicht. Gefühlte Minuten steht er reglos da und starrt die Tür an. Mit einem Mal dreht er sich um und verlässt den Hof. Ich warte eine Zeit lang, doch er kommt nicht zurück.
    Ich gehe zu meinem alten Büro. Die Tür ist abgeschlossen. Ich gehe weiter. Im Zimmer nebenan waren meine Assistenten untergebracht. Es ist ebenfalls abgeschlossen. Im dritten Zimmer saß zu meiner Zeit Abel. Der derzeitige Marschall scheint keinen Stellvertreter zu haben. Die Tür steht sperrangelweit offen. Drinnen ist alles mit Tüchern abgedeckt. Ich ziehe eines vom Schreibtisch. Es ist noch derselbe. Das weiß ich, weil ich ihn anfertigen ließ. Er war ein Geschenk für Abel, als ich ihn zu meinem Stellvertreter ernannte. Ich ziehe an einer der Schubladen. Abgeschlossen. Ich ziehe mit Kraft, doch der Griff bricht ab.
    Ich muss mich darauf einstellen, dass er und Tora möglicherweise tot sind. Es wäre allerdings Pech, wenn ausgerechnet die beiden Menschen, die ich am besten kannte, in der Zeit meiner Abwesenheit gestorben wären. Vielleicht waren sie zusammen, als sie starben. Nach meinem Weggang waren sie vermutlich oft zusammen und haben viel gemeinsam gemacht. Aber weshalb sollten sie in der friedlichen Nachkriegszeit, als es wenig Kriminalität und offenbar genug zu essen gab, gestorben sein? Sie waren jung. Jünger als ich jedenfalls. Sie können nicht beide gestorben sein.
    An der einen Seite des Schreibtischs das

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