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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Bruce
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wenig. Ich erwache um die Zeit, zu der normalerweise der Arbeitsalltag beginnt. Andalus hat das Essen, das ich mitgebracht habe, nicht angerührt. Ich nehme mir die Hälfte davon.
    Er ist wach. »Wir gehen jetzt zum Büro des Marschalls«, sage ich zu ihm. »Er muss mir ein paar Fragen beantworten. Das wird einfacher, wenn Sie reden.« Er sitzt da mit den Händen auf den Oberschenkeln, die Handflächen nach oben. Seine Füße stehen eng zusammen. Die Sonne blinkt durch Risse in der Plane hinter ihm.
    »Sie müssen sich erklären, mein Freund. Ich kann mich nicht ewig um Sie kümmern. Früher oder später werden Sie auf sich gestellt sein.«
    Es überrascht mich nicht, dass keine Antwort kommt.
    Wir treten hinaus in die Sonne und laufen das kurze Stück zur Siedlungsverwaltung. Vier Personen stehen im Hof des Rathauses. Der Marschall unterhält sich mit einem anderen Mann. Der ist groß und trägt eine Kapuze, sodass ich sein Gesicht nicht sehen kann. Nur der Marschall ist mir zugewandt. Die beiden anderen müssten Elba und Amhara sein. Davon bin ich überzeugt, obwohl sie ein wenig entfernt stehen, mir den Rücken zukehren und Kopftücher tragen. Der Marschall bemerkt mich, sowie ich den Hof betrete. Er scheint den dreien etwas zuzuflüstern. Sie straffen sich, drehen sich aber nicht um. Angeführtvon dem groß gewachsenen Mann gehen sie zu der offenen Tür hinter dem Marschall. Das Mädchen scheint zu zögern und will sich umdrehen, doch die Frau legt ihm die Hand auf den Rücken und geleitet es durch die Tür, die sich hinter ihnen schließt.
    Der Marschall wartet mit verschränkten Armen auf mich. Er wirkt nicht wie ein Krieger.
    »Was kann ich heute für Sie tun?«, fragt er.
    Mir reicht es. »Wir waren gestern verabredet.«
    »So?«
    »Soll das heißen, Sie erinnern sich nicht?«
    Er zuckt die Achseln.
    »Erkennen Sie mich immer noch nicht?«, frage ich. Ob er meinen Sarkasmus heraushört? »Sie hatten ja Zeit nachzudenken, Zeit, sich zu erinnern. Wer Sie sind, weiß ich leider nicht. Sie waren wohl ein kleiner Beamter, als ich fortgegangen bin.«
    Der Marschall bleibt stehen und lässt mich ausreden, antwortet aber nicht auf meine Frage.
    »Ich glaube, Sie wissen, wer ich bin«, fahre ich fort. »Ich glaube, Sie wissen es ganz genau. Mir ist nur nicht klar, warum Sie es nicht zugeben. Mein Leben lang war ich entweder Held oder Schurke, je nach der politischen Einstellung des Betrachters. Noch nie ist man mir gleichgültig begegnet.«
    Der Marschall gestattet sich ein Lächeln.
    »Aber hier geht es nicht nur um mich. Der Mann, den ich mitgebracht habe, ist einer, mit dem man rechnen muss. Mag er jetzt auch unbedeutend und wenig zu gebrauchen sein. Vielleicht haben seine Erlebnisse ihm die Lebenskraft geraubt, aber wichtig ist das, wofür er steht. Für die möglichen Gründe, weshalb er hier ist, sollte man sich interessieren. Mag der MenschAndalus auch zerstört sein – wir sollten herausfinden, woher diese Leere kommt, die Leere an der Stelle, wo er steht.«
    »Sie sind ein Philosoph«, sagt der Marschall. »Oder ein Dichter.«
    Darauf antworte ich nicht.
    »Wo ist denn dieser Mann, dieser Andalus?« Er betont die zweite Silbe, als wüsste er nicht, dass die dritte zu betonen ist. Ein Fehler, den damals meine weniger gut informierten Leute immer gemacht haben.
    Ich verbessere ihn nicht. Ich drehe mich um und greife nach Andalus, den ich hinter mir wähne. Er ist nicht da. Er ist nirgends zu sehen.
    Ich wende mich wieder dem Marschall zu. »Gerade war er noch hier. Er ist weggegangen.«
    Der Marschall lächelt und wendet sich zum Gehen.
    »Ich bin noch nicht fertig«, sage ich. Ich habe die Stimme erhoben.
    Er dreht sich wieder um. Sein Lächeln ist verschwunden.
    »Wo sind Elba und Amhara?«
    »Wen meinen Sie?«
    »Sie wissen doch genau, dass sie mit Ihrem Spiel nichts zu tun haben will. Zumindest hat sie Bedenken.«
    Der Marschall sieht mich an, ohne zu antworten. Sein Gesicht ist ausdruckslos.
    »Ich habe sie reingehen sehen.«
    »Das war jemand anders, als Sie behaupten.«
    Darauf gehe ich nicht ein. »Ich würde mich gerne mit Ihnen über meine Lage unterhalten«, sage ich stattdessen. »Ich möchte, dass Sie dazu Stellung nehmen. Mir zumindest eine Frist geben.«
    »Sie möchten sich unterhalten«, sagt der Marschall. Es ist keine Frage.
    Ehe ich antworten kann, geht er einen Schritt zur Seite und bedeutet mir, einzutreten.
    Ich gehe direkt auf die Treppe zu, die zum Büro des Marschalls führt. Von Elba

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