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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Bruce
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Die Leute können nicht endlos im Verborgenen leben.«
    »Sonst noch was?«
    »Ich habe einen an mich gerichteten Brief. Ich habe eine Jacke, die Abel gehört hat. Ich habe menschliche Überreste gefunden. Ich habe Elba ein Geständnis abgerungen.« Letzteres ist etwas übertrieben, und ich beobachte den Marschall genau, um zu sehen, ob er eine Reaktion zeigt.
    »Elba?«, fragt er mit unbewegter Miene.
    »Genau. Ich glaube nicht, dass sie die ist, als die sie sich ausgibt. Sowenig wie Sie der echte Marschall sind. Vielleicht war sie mit Tora befreundet. Das Kind – es ist nicht ihres – scheint ihr zu vertrauen, auch wenn es sie gleichzeitig ein bisschen ablehnt. Aber sie ist nicht die, als die sie sich ausgibt. Nun zu Ihnen. Ich habe überlegt, woher ich Sie kenne. Sie kommen mir bekannt vor. Sie waren Schreiber in einem meiner Büros, nicht wahr? Ein Verwalter.
    Manchmal haben Sie zu unserer Unterhaltung auf dem Rathaushof Stücke aufgeführt.«
    Während ich das ausspreche, wird mir klar, dass es stimmt. Es ist mir wieder eingefallen. Zunächst hatte ich ihn für einen General gehalten, aber das war falsch. Ein bisher unbedeutender Mensch gibt hier den Marschall.
    »Sie lassen mich beschatten.« Er verzieht keine Miene. »Im Orangenhain, gestern Abend, heute Morgen.«
    Diesmal antwortet er. »Sie haben eine blühende Fantasie. Wer sollte Sie denn beschatten wollen?«
    »In der Hütte lag ein Haufen Lumpen. Er war geformt wie ein Leichnam. Ein Toter.«
    »Ein Haufen Lumpen? Kein Unsichtbarer also? Ein Lumpenmann?«, spöttelt er.
    »Halten Sie es für angebracht, an einer solchen Stätte einen Popanz zu hinterlassen? Die Kerben an der Wand. Schaudert Sie’s da nicht? Bedauern Sie da nicht alles?« Ich zügle mich.
    »Lieber ein Popanz, eine Nachbildung, als richtige Tote.«
    »Sie geben also zu, dass Sie wissen, was da vorgegangen ist?«
    »Was denn?«
    »Sie wissen, was wir getan haben. Es ist Ihr Erbe. Sie sind die Kinder jener Zeit, die Bastarde eines Vaters, den Sie vergessen wollen.«
    Sein Gesicht zeigt keine Regung. »Und Sie? Sind Sie mein Vater?«
    Ich wische die Frage beiseite. »Was haben Sie mit ihnen gemacht?«
    »Mit wem?«
    »Wo sind sie alle?«
    Er breitet die Hände aus, die Handflächen nach oben.
    »Was haben Sie mit Abel und Tora gemacht? Inszenieren sie das Ganze, oder gehören sie auch zu den Opfern? Haben Sie sie beseitigt? Eingesperrt? Wer steht hinter all dem?«
    »Sie wissen, wer dahintersteht«, antwortet er leise.
    »Wer denn?«
    »Ich. Ich bin der Marschall.«
    »Nein.«
    »Ich bin Marschall von Bran. Sie sind ein Wanderer. Hierhergekommen aus der Wildnis. Wir haben überlegt, wo Sie wohl herkommen. Sie sind über die Berge gekommen, ja. Aber davor? Sie sprechen von Inseln. Sie sprechen von einem Land, wo es unaufhörlich regnet. Sie sprechen von einem Mann, den noch niemand gesehen hat. Ist er erfunden? Wir sehen Sie an, Fremder. Sie verlangen, dass wir uns an Sie erinnern. Sie kommen hierher und fordern, wie war das noch – dass wir Sie töten oder freilassen? Sie missbrauchen unsere Gastfreundschaft mit Ihren unsinnigen Forderungen.«
    Möglicherweise habe ich den Mann doch unterschätzt. Er spricht langsam, aber bestimmt.
    Ich stehe rasch auf, und ehe der Mann in der Ecke eingreifen kann, packe ich Jura am Kragen und ziehe ihn hoch. Er wiegt nicht wenig, aber ich bin stark. »Sie hören noch von mir.«
    Inzwischen ist der andere Mann aufgestanden. Ich lasse Jura los. Ich lege beide Hände auf den Schreibtisch und beuge mich zu ihm vor. »Sie hören noch von mir.«
    Ich verlasse das Büro und schließe die Tür hinter mir.
    Sie wird nicht wieder geöffnet. Ich laufe durch den Gang zu dem Zimmer, von dem aus mich jemand durchs Fenster beobachtet hat.
    Zuerst lausche ich an der Tür. Ich höre nichts. Oder vielmehr, ich höre etwas, kann es aber nicht einordnen. Hält man eine Muschel ans Ohr, hört man das Meer. Höre ich Atemgeräusche? Ich klopfe leise an. Lausche erneut. Das Atmen geht weiter. Ich drücke die Klinke runter. Die Tür ist abgeschlossen.Ich drücke dagegen. Sie ist robust. Ich bücke mich und schaue. Der Spalt unter der Tür ist schmal. Drinnen ist es dunkel. Aber ich sehe zwei dunklere Schatten. Als ob jemand zum Greifen nah auf der anderen Seite steht. Die Schatten rühren sich nicht. Im Gang ist es still.
    »Hallo«, sage ich leise.
    Keine Bewegung. Keine Antwort.
    »Tora. Ich bin’s.«
    Ich richte mich auf. Ich lege die Hände flach auf die Tür, beuge mich

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