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Die Wand

Titel: Die Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlen Haushofer
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ihr von Menschen widerfahren war, zu vergessen.
    Noch jetzt geschieht es manchmal, daß sie ängstlich vor mir zurückweicht oder zur Tür flieht, wenn ich mich zu plötzlich bewege. Es kränkt mich, aber wer weiß, vielleicht kennt die Katze mich besser, als ich selbst mich kenne, und ahnt, wozu ich fähig sein könnte. Während ich dies schreibe, liegt sie vor mir auf dem Tisch und sieht aus großen gelben Augen über meine Schulter auf einen Fleck der Wand. Dreimal hab ich mich schon danach umgedreht und kann dort nichts sehen als das alte dunkle Holz. Manchmal starrt sie auch mich lange und unverwandt an, aber nie so lange wie die Wand, nach einer gewissen Zeit wird sie unruhig und dreht den Kopf weg oder kneift die Lider zu.
    Auch Luchs mußte die Augen abwenden, wenn ich ihn lange ansah. Ich glaube nicht, daß Menschenaugen hypnotisch wirken, ich kann mir aber vorstellen, daß sie einfach zu groß und leuchtend sind, um einem kleineren Tier angenehm zu sein. Ich ließe mich auch nicht gern von untertassengroßen Augen anstarren.
    Seit Luchs tot ist, hat sich die Katze enger an mich angeschlossen. Vielleicht sieht sie ein, daß wir ganz aufeinander angewiesen sind, aber sie war eifersüchtig auf den Hund, ohne es zeigen zu können. In Wahrheit bin ich mehr auf sie angewiesen als sie auf mich. Ich kann zu ihr reden, sie streicheln und ihre Wärme sickert über meine Handflächen in meinen Leib und tröstet mich. Ich glaube nicht, daß die Katze mich so nötig braucht wie ich sie.
    Luchs entwickelte mit der Zeit eine gewisse Zuneigung für sie. Für ihn war sie ein Familien- oder Rudelmitglied, und er wäre jeden Angreifer angefallen, um sie zu beschützen.
    Wir waren also zu viert, die Kuh, die Katze, Luchs und ich. Luchs stand mir am nächsten, er war bald nicht nur mein Hund, sondern mein Freund; mein einziger Freund in einer Welt der Mühen und Einsamkeit. Er verstand alles, was ich sagte, wußte, ob ich traurig oder heiter war, und versuchte auf seine einfache Art, mich zu trösten.
    Die Katze war ganz anders, ein tapferes, abgehärtetes Tier, das ich respektierte und bewunderte, das sich aber immer seine Freiheit vorbehielt. Sie war mir in keiner Weise verfallen. Freilich, Luchs hatte keine Wahl, er war auf einen Herrn angewiesen. Ein herrenloser Hund ist das ärmste Wesen auf der Welt, und selbst der übelste Mensch kann noch seinen Hund in Entzücken versetzen.
    Die Katze fing bald an, gewisse Forderungen an michzu stellen. Sie wollte jederzeit, auch nachts, kommen und gehen, wie es ihr gefiel. Ich hatte Verständnis dafür, und da ich bei kaltem Wetter das Fenster geschlossen halten mußte, stemmte ich hinter dem Kasten ein kleines Loch in die Wand. Es war eine mühsame Arbeit, aber sie lohnte sich, denn jetzt hatte ich nachts Ruhe. Der Kasten hielt im Winter den kalten Luftzug ab. Im Sommer schlief ich natürlich bei offenem Fenster, aber die Katze benützte immer ihren eigenen kleinen Ausgang. Sie nahm ein sehr geregeltes Leben auf, schlief bei Tag, ging gegen Abend weg und kam erst wieder gegen Morgen und wärmte sich bei mir im Bett an.
    Ich sehe mein Gesicht, klein und verzerrt, im Spiegel ihrer großen Augen. Sie hat sich angewöhnt zu antworten, wenn ich zu ihr spreche. Geh nicht fort heute nacht, sage ich, im Wald sind der Uhu und der Fuchs, bei mir bist du warm und sicher. Hrrr, grrr, mau, sagt sie, und das mag heißen, man wird ja sehen, Menschenfrau, ich möchte mich nicht festlegen. Und dann kommt bald der Augenblick, an dem sie aufsteht, einen Buckel macht, sich zweimal lang ausstreckt, vom Tisch springt, in den Hintergrund gleitet und lautlos in der Dämmerung untertaucht. Und später werde ich meinen leisen Schlaf schlafen, einen Schlaf, in dem die Fichten rauschen und der Brunnen plätschert.
    Gegen Morgen, wenn der vertraute kleine Körper sich an meine Beine schmiegt, werde ich mich ein wenig tiefer in den Schlaf sinken lassen, nie ganz tief, denn ich muß sehr auf der Hut sein.
    Es könnte einer ans Fenster schleichen, der wie ein Mensch aussieht und eine Hacke auf dem Rücken verbirgt.
    Mein Gewehr hängt geladen neben dem Bett. Ich muß horchen, ob nicht Schritte sich dem Haus oder dem Stallnähern. In der letzten Zeit habe ich oft daran gedacht, die Schlafkammer zu räumen und Bella hier einen Stall einzurichten. Vieles spricht dagegen, aber es wäre mir eine große Beruhigung, sie durch die Tür zu hören und sie ganz nahe und in Sicherheit zu wissen. Ich müßte natürlich von der

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