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Die Wand

Titel: Die Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlen Haushofer
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Kasten und war zu keiner Übersiedlung zu bewegen. So ließ ich die Tür offen und band sie mit einer Schnur fest, damit sie nicht ganz aufgehen konnte und das Kätzchen geschützt in der Dämmerung lag.
    Die Katze war übrigens eine leidenschaftliche Mutter und ging nur nachts auf kurze Zeit weg. Sie mußte jetzt keine Beute suchen, ich fütterte sie genügend mit Fleisch und Milch.
    Am zehnten Tag stellte uns die Katze ihr Junges vor. Sie trug es am Nackenfell mitten ins Zimmer und setzte es auf den Boden. Es sah jetzt schon recht hübsch aus, weiß und rosa; aber es war noch immer zausiger als alle jungen Katzen, die mir je untergekommen waren. Wimmernd flüchtete es zur mütterlichen Wärme zurück, und die Vorstellung war beendet. Die Katze war sehr stolz, und sooft sie daraufhin das Junge aus dem Kasten holte, mußte ich sie streicheln und loben. Sie war, wie jede Mutter, erfüllt von dem Bewußtsein, etwas ganz Einmaliges erschaffen zu haben. Und so war es ja auch, denn nicht einmal zwei junge Katzen gleichen einander aufs Haar, nicht äußerlich und schon gar nicht in ihren eigensinnigen kleinen Seelen.
    Bald darauf krabbelte das Kleine allein aus dem Kasten und lief bald mir, bald Luchs vor die Füße. Es zeigte nicht die geringste Furcht, und Luchs betrachtete und beschnüffelte es interessiert, sobald die Katze nicht in der Nähe war. Aber die Katze war fast immer in der Nähe und sah die sich anbahnenden Beziehungen mit mißtrauischen Augen an.
    Ich nannte die kleine Katze Perle, weil sie so weiß und rosig war. Sogar durch die Haut ihrer kleinen Ohren konnte man das Blut schimmern sehen. Später wuchsen ihr große Haarbüschel auf den Ohren, aber solange sie noch ganz klein war, sah man an vielen Stellen die Haut durch den flockigen Pelz leuchten. Ich wußte damals noch nicht, daß sie ein Weibchen war, aber irgend etwas an ihrem sanften, ein wenig flachgedrückten Gesicht schien mir eben weiblich zu sein. Perle fühlte sich sehr vonLuchs angezogen und fing an, mit ihm im Ofenloch zu liegen und mit seinen langen Ohren zu spielen. Nachts aber schlief sie im Kasten bei ihrer Mutter.
    In wenigen Wochen wurde mir klar, daß Perle, das zausige kleine Ding, im Begriff war, sich in eine Schönheit zu verwandeln. Sie bekam ganz langes, seidiges Haar und war, dem Aussehen nach, eine Angorakatze. Freilich nur dem Aussehen nach; irgendein langhaariger Ahne war in ihr auferstanden. Perle war ein kleines Wunder, aber schon damals wußte ich, daß sie am Unrechten Ort geboren war. Eine langhaarige, weiße Katze, mitten im Wald, ist zum frühen Tod verurteilt. Sie hatte gar keine Chancen. Vielleicht hatte ich sie deshalb so gern. Eine neue Sorgenlast war mir auferlegt worden. Ich zitterte vor dem Tag, an dem sie ins Freie gehen würde. Es dauerte auch nicht lange, und sie spielte vor der Hütte mit ihrer Mutter oder mit Luchs. Die alte Katze war sehr besorgt um Perle, vielleicht fühlte sie, was ich wußte, nämlich, daß ihr Kind in Gefahr war. Ich befahl Luchs, auf Perle zu achten, und wenn wir zu Hause waren, ließ er sie nicht aus den Augen. Die alte Katze, schließlich ermüdet von den anstrengenden Mutterpflichten, war froh, daß Luchs sich als Perles Beschützer aufspielte. Die Kleine war in ihrem Wesen ein wenig anders als die gewöhnlichen Hauskatzen, ruhiger, sanfter und zärtlicher. Oft saß sie lange Zeit auf der Hausbank und sah einem Falter nach. Ihre blauen Augen waren nach einigen Wochen grün geworden und leuchteten wie Edelsteine aus dem weißen Gesicht. Ihre Nase war stumpfer als die ihrer Mutter und ihr Hals von einer prächtigen Krause geziert. Ich war jedesmal beruhigt, wenn ich sie auf der Bank sitzen sah, die Vorderpfoten auf den buschigen Schwanz gestellt, aufmerksam ins Licht starrend. Dann redete ich mir ein, sie werde sichzu einer Zimmerkatze entwickeln und höchstens, wie jetzt, unter der Veranda sitzen und ein beschauliches Leben führen.
    Wenn ich an den ersten Sommer zurückdenke, ist er viel mehr von der Sorge um meine Tiere überschattet als von meiner eigenen verzweifelten Lage. Die Katastrophe hatte mir eine große Verantwortung abgenommen und, ohne daß ich es sogleich merkte, eine neue Last auferlegt. Als ich die Lage endlich ein wenig überblicken konnte, war ich längst nicht mehr fähig, irgend etwas daran zu ändern.
    Ich glaube nicht, daß mein Verhalten einer gewissen Schwäche oder Sentimentalität entsprang, ich folgte einfach einem Trieb, der mir eingepflanzt war und den

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