Die Wand
waren bald voll Blasen, die schließlich aufsprangen und näßten. Dann setzte ich zwei Tage aus und behandelte sie mit Hirschtalg. Ich hatte die Holzarbeit gern, weil ich sie in der Nähe der Tiere verrichten konnte. Bella stand auf der Waldwiese und sah manchmal zu mir herüber. Luchs trieb sich immer in meiner Nähe umher, und auf der Bank saß Perle in der Sonne und sah aus halbgeschlossenen Augen den Hummeln nach. Und drinnen im Haus schlief auf meinem Bett die alte Katze. Alles war für den Augenblick in Ordnung, und ich brauchte mir keine Sorgen zu machen.
Manchmal striegelte ich Bella mit Hugos Nylonbürste. Sie hatte das sehr gern und hielt ganz still dabei. Auch Luchs wurde gebürstet und die Katzen mit einem alten Staubkamm aus der Jägerhütte auf Flöhe untersucht. Sie hatten, ebenso wie Luchs, immer ein paar Flöhe und waren dankbar für die Behandlung. Es waren glücklicherweise Flöhe, die sich aus Menschenblut nichts zu machen schienen, große gelbbraune Tiere, die fast wie kleine Käfer aussahen und sehr schlecht springen konnten.Mit ihnen hatte der treffliche Hugo nicht gerechnet und kein Insektenpulver eingelagert, wahrscheinlich wußte er nicht einmal, daß sein eigener Hund Flöhe hatte.
Bella hatte kein Ungeziefer. Sie war übrigens ein sehr reinliches Tier und achtete immer darauf, daß sie nicht in ihren eigenen Fladen lag. Natürlich hielt ich auch ihren Stall peinlich sauber. Neben dem Stall wuchs langsam der Misthaufen an. Ich hatte vor, mit ihm im Herbst den Erdapfelacker zu düngen. Rund um den Misthaufen wucherten riesige Brennesseln, eine unausrottbare Plage. Anderseits war ich immer auf der Suche nach jungen Nesseln für meinen Spinat, das einzige Gemüse, das es hier gab. Ich mochte aber die Misthaufennesseln nicht dazu verwenden. Ich glaube, das war ein dummes Vorurteil; es ist mir bis heute nicht gelungen, es abzulegen.
Die jungen Fichtenwipfel waren jetzt schon dunkelgrün und fest und schmeckten nicht mehr so gut wie im Frühling. Ich kaute sie aber noch immer; mein Verlangen nach Grünzeug war nicht zu stillen. Manchmal fand ich auch im Wald den angenehm säuerlich schmeckenden Hasenklee. Ich weiß nicht, wie er wirklich heißt, aber ich hatte ihn schon als Kind gern gegessen. Meine Nahrung war natürlich sehr eintönig. Ich hatte nur noch wenig Vorräte und wartete sehnsüchtig auf die Ernte. Ich wußte, daß auch die Erdäpfel, wie alles im Gebirge, später reifen würden als über Land. Mit dem Rest meiner Vorräte ging ich sehr geizig um und nährte mich hauptsächlich von Fleisch und Milch.
Ich war sehr mager geworden. In Luises Frisierspiegel sah ich manchmal verwundert meine neue Erscheinung. Mein Haar, das stark gewachsen war, hatte ich mit der Nagelschere kurz geschnitten. Es war jetzt ganz glattund von der Sonne gebleicht. Mein Gesicht war mager und gebräunt und meine Schultern eckig, wie die eines halbwüchsigen Knaben.
Meine Hände, immer mit Blasen und Schwielen bedeckt, waren meine wichtigsten Werkzeuge geworden. Ich hatte die Ringe längst abgelegt. Wer würde schon seine Werkzeuge mit goldenen Ringen schmücken. Es schien mir absurd und lächerlich, daß ich es früher getan hatte. Seltsamerweise sah ich damals jünger aus als zu der Zeit, als ich noch ein bequemes Leben geführt hatte. Die Fraulichkeit der Vierzigerjahre war von mir abgefallen, mit den Locken, dem kleinen Doppelkinn und den gerundeten Hüften. Gleichzeitig kam mir das Bewußtsein abhanden, eine Frau zu sein. Mein Körper, gescheiter als ich, hatte sich angepaßt und die Beschwerden meiner Weiblichkeit auf ein Mindestmaß eingeschränkt. Ich konnte ruhig vergessen, daß ich eine Frau war. Manchmal war ich ein Kind, das Erdbeeren suchte, dann wieder ein junger Mann, der Holz zersägte, oder, wenn ich Perle auf den mageren Knien haltend auf der Bank saß und der sinkenden Sonne nachsah, ein sehr altes, geschlechtsloses Wesen. Heute hat mich der merkwürdige Reiz, der damals von mir ausging, ganz verlassen. Ich bin noch immer mager, aber muskulös, und mein Gesicht ist von winzigen Fältchen durchzogen. Ich bin nicht häßlich, aber auch nicht reizvoll, einem Baum ähnlicher als einem Menschen, einem zähen braunen Stämmchen, das seine ganze Kraft braucht, um zu überleben.
Wenn ich heute an die Frau denke, die ich einmal war, die Frau mit dem kleinen Doppelkinn, die sich sehr bemühte, jünger auszusehen, als sie war, empfinde ich wenig Sympathie für sie. Ich möchte aber nicht zu hart
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