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Die Wand

Titel: Die Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlen Haushofer
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schon so kühl am Morgen, daß ich jeden Tag Reif erwarten mußte. Es war an der Zeit, die Preiselbeeren zu holen.
    Diesmal hielt ich mich nicht am Aussichtspunkt auf. Ich sah auf den ersten Blick, daß sich nichts geändert hatte. Nur die Wälder starrten in ihrer neuen Farbenpracht. Es war windig, und die Sonne gab so wenig Wärme, daß meine Hände beim Beerenpflücken starr wurden. Ich kochte Tee in der Hütte und gab Luchs ein wenig Fleisch, und dann packte ich den Eimer mit den Beeren in den Rucksack und stieg zu Tal. Die Beeren kochte ich zuMarmelade und füllte sie in Gläser. Auch dieser kleine Vorrat sollte mir helfen, den Winter zu überstehen.
    Es lagen jetzt nur noch zwei Arbeiten vor mir. Die Streu für Bella mußte gemäht werden, und die Garage mußte ich vor dem Einbruch der Kälte mit Heu füllen. Ich hätte mir Zeit lassen können, es blieb noch lange schön. Ich mähte die Streu mit der Sichel und rechte sie mit dem trockenen Laub zusammen. Sie brauchte nur einen Tag, um zu trocknen, und ich räumte sie unter das Stalldach in einen kleinen Verschlag. Was dort nicht Platz fand, brachte ich in einem Winkel des Stalles unter. Und endlich hatte ich auch das Heu in die Garage gezogen und durfte rasten.
    Jetzt saß ich wirklich auf der Hausbank in der schwachen Wärme der Mittagssonne, und es konnte mir nicht mehr schaden, denn ich war viel zu matt, um zu grübeln.
    Ich saß ganz still, die Hände unter dem Umhang verborgen, und hielt das Gesicht dem lauen Licht entgegen. Luchs stöberte im Gebüsch und kehrte immer wieder zu mir zurück, um sich zu überzeugen, daß es mir gut ging. Perle verzehrte unter der Veranda eine Forelle und setzte sich dann zu mir auf die Bank und fing an, ihr langes Fell zu waschen. Manchmal hielt sie inne, blinzelte mir zu, schnurrte laut und gab sich dann wieder ihrem Reinlichkeitsdrang hin. Da das Wetter schön war, ließ ich Bella noch immer auf die Wiese, gab ihr aber am Abend frisches Heu; das Gras auf der Wiese konnte ihr nicht mehr genügen, es war hart und saftlos geworden, und das meiste davon hatte ich als Streu gemäht. Bella war wieder rundlicher geworden, aber ich konnte noch immer nicht wissen, ob sie ein Kalb erwartete. Es bestärkte mich in meiner Hoffnung, daß sie die ganzen Monate nicht einmal nach dem Stier verlangt hatte. Aber ich fühlte mich doch sehr unsicher.
    Der Frühling, der Sommer und der Herbst waren vergangen, und ich hatte alles getan, was ich hatte tun können. – Es war vielleicht sinnlos, aber ich war zu müde, um darüber nachzudenken. – Alle meine Tiere waren in der Nähe, und ich hatte für sie gesorgt, soweit es mir möglich gewesen war. Die Sonne prickelte auf meinem Gesicht, und ich schloß die Augen. Aber ich schlief nicht, ich war zu müde, um zu schlafen. Ich bewegte mich auch nicht, denn jede Bewegung schmerzte, und ich wollte ganz ohne Schmerzen und still in der Sonne sitzen und nicht denken müssen.
    An jenen Tag erinnere ich mich sehr deutlich. Ich sehe die Spinnfäden, die sich schillernd zwischen den Bäumen spannten, neben dem Stall unter den Fichten, in der zitternden goldgrünen Luft. Die Landschaft gewann eine ganz neue Tiefe und Klarheit, und ich wünschte, den ganzen Tag so zu sitzen und zu schauen.
    Am Abend, als ich vom Stall zum Haus ging, hatte sich der Himmel bezogen, und es schien mir wärmer geworden zu sein. In der Nacht schlief ich trotz meiner Müdigkeit sehr schlecht, aber es störte mich nicht. Ich lag ganz zufrieden, lang ausgestreckt, und wartete. Einmal kam mir der Gedanke, daß es doch eine große Verschwendung sei, überhaupt zu schlafen. Gegen Morgen kam die Katze heim, schmiegte sich in meine Kniekehlen und fing an zu schnurren. Es war behaglich und warm, und ich brauchte keinen Schlaf. Aber schließlich mußte ich doch eingeschlafen sein, denn als ich erwachte, war es spät, und Luchs verlangte stürmisch ins Freie. Es regnete, und nach der langen Trockenheit war ich ganz zufrieden damit. Der Bach hatte fast kein Wasser mehr geführt, und die Forellen waren in großer Not. Der Regen hing als grauer Schleier über dem Wald und verdichtete sich höher oben zu Nebel. Es war wärmer alsan den schönen Tagen, aber alles glänzte vor Nässe. Ich wußte, dieser Regen bedeutete das Ende des Herbstes. Er leitete den Winter ein, die lange Zeit, vor der ich Angst hatte. Ich ging langsam ins Haus zurück, um einzuheizen.
    Es regnete zwei Tage und wurde immer kühler. Am siebenundzwanzigsten Oktober fiel der

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