Die Wanderapothekerin 2: Aufbruch (German Edition)
Gedächtnis der Bäuerinnen blieben.
Innerhalb einer Stunde machte sie ein gutes Geschäft und wurde von einer der Frauen auch noch zum Essen eingeladen. Das Knurren ihres Magens brachte sie dazu, gegen ihr Gefühl zu handeln, das sie drängte, sofort weiterzugehen.
»Ich danke dir«, sagte sie und reichte der gastfreundlichen Frau ein Töpfchen Jerusalemer Balsam, der bei kleineren Wunden Entzündungen verhindern konnte.
Die Frau lächelte so erfreut, dass Klara ein schlechtes Gewissen bekam. Für den Gegenwert dieses Salbenkleckses hätte sie in einem Gasthof nicht einmal eine Schüssel Eintopf erhalten. Hier hingegen wurde ihr eine dicke Graupensuppe und hinterher ein schönes Stück Rauchfleisch vorgesetzt, und zum Trinken erhielt sie Bier, das die Frau, wie sie stolz verkündete, selbst gebraut hatte.
»Das darf man hier nicht laut sagen«, setzte sie mit einem Augenzwinkern hinzu. »Der Herr Graf will nämlich, dass alle seine Untertanen das Bier kaufen, das sein Braumeister braut. Das ist aber bei weitem nicht so gut wie das meine. Wir kaufen zwar immer wieder einen Eimer, damit es nicht auffällt, aber mindestens ein Drittel von dem, was wir trinken, braue ich selbst. Ich kann das, weil unser Hof etwas abseits liegt und die beiden Büttel des Grafen nicht nur meine Vettern sind, sondern auch gerne einen Krug meines Bieres trinken. Ihnen schmeckt das nämlich auch besser als das des gräflichen Braumeisters.«
»Dein Bier schmeckt wirklich gut«, lobte Klara nach dem ersten Schluck.
Gleichzeitig dachte sie, dass allzu rigide Regeln die Leute nur dazu brachten, insgeheim dagegen zu verstoßen. Sie war froh, nicht in einem Herrschaftsgebiet wie diesem leben zu müssen, selbst wenn es auch in Schwarzburg-Rudolstadt immer wieder Zwistigkeiten zwischen den Bürgern und dem Fürsten gab.
»Es freut mich, dass es dir geschmeckt hat«, sagte die Bäuerin. »Weißt du, wir hier auf dem Lerchenhof sind was Besonderes im Ort. Im Gegensatz zu den anderen Bauern sind wir nicht leibeigen, und unser Besitz gehört nicht dem Grafen, sondern dem Hochstift Bamberg. Mit den Domherren will der Herr Graf sich dann doch nicht anlegen.«
Klara spürte die Zufriedenheit der Frau, beschwor sie aber in Gedanken, vorsichtig zu sein und den Grafen nicht zu sehr zu reizen. Wie sie den Herrn nach dem wenigen einschätzte, was sie über ihn gehört hatte, würde ihn auch seine Achtung vor den Bamberger Domherren nicht davon abhalten, Leute, die ihm nicht passten, auf seine Weise zur Rechenschaft zu ziehen.
Nun bedankte sie sich für Speis und Trank, nahm ihr Reff auf den Rücken und verabschiedete sich von der gastfreundlichen Bäuerin. Diese gab ihr bis zum Hoftor das Geleit und kehrte dann an ihre Arbeit zurück. Klara fasste ihren Stock fester, ging weiter zum dritten Dorf, das zu dieser Grafschaft gehörte, und mahnte sich unterwegs selbst, den Besitz des Grafen Benno von Güssberg noch vor dem Abend zu verlassen.
10.
I m nächsten Dorf war die Aufregung noch größer. Der Holzfäller Damian und seine Tochter Martha stammten aus diesem Ort, und die Bewohner nahmen es dem Grafen übel, dem Mann zuerst seinen verdienten Lohn verweigert und ihn dann wegen eines einzigen Hasen aufgehängt zu haben. Am meisten aber ärgerte es die Dörfler, dass Graf Benno selbst Frauen und Kinder gezwungen hatte, sich an der Treibjagd auf die angebliche Hexe zu beteiligen.
Klara traf daher nur ein paar alte Weiber an, die sich gut an ihren Vater erinnern konnten und schon im letzten Jahr Gerold gegenüber bedauert hatten, dass dieser nicht wiedergekommen war. Als sie nun hörten, dass auch Klaras Bruder verschwunden war, versuchten sie, das Mädchen zu trösten, und kauften ihm ebenfalls etwas ab. Viel Münzgeld besaßen sie zwar nicht, doch Klara kam auf ihre Kosten und wurde zudem für die nächsten Tage mit Essen versorgt.
Nachdem sie den Frauen noch Glück im Haus und im Stall gewünscht hatte, setzte sie ihren Weg fort. Es ging erneut durch den Wald, und nicht allzu weit entfernt hörte sie immer wieder Rufe und den Klang von Jagdhörnern. Wie es aussah, war Graf Benno immer noch auf Menschenjagd, würde aber bald an die Grenzen seines Besitztums stoßen. Klara hoffte, dass es der gejagten Magd gelang, die nächste Herrschaft zu erreichen. Doch ob die Frau dort in Sicherheit war, konnte sie nicht beurteilen. Wenn dem dortigen Herrn oder Verwalter an einem guten Verhältnis zu Benno von Güssberg gelegen war, schwebte Martha in höchster
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