Die Wanderapothekerin 2: Aufbruch (German Edition)
Erleichterung war es unversehrt.
»Bist du eine Hökerin?«, fragte Martha, während Klara das Traggestell wieder auf den Rücken nahm.
»Ich bin Wanderapothekerin!«, antwortete Klara entrüstet. »Ich verkaufe Arzneien aus Königsee, die der Laborant Rumold Just hergestellt hat!«
»Warum hast du mir geholfen?«, fragte Martha weiter.
»Weil unser Pastor gesagt hat, dass es keine Hexen gibt. Außerdem mag ich Männer wie diesen Grafen Benno nicht!« Klara schnaubte kurz und wies dann auf den Mond, dem nur noch zwei oder drei Tage zur völligen Rundung fehlten.
»Ich bin froh, dass wir in seinem Licht etwas sehen können. Also können wir wacker ausschreiten. Andererseits ist es gut, dass der Mond erst jetzt aufgegangen ist, denn sonst hätten die Jagdknechte des Grafen mich entdeckt.«
»Und dich sofort auf den Rücken gelegt, wie sie es gerne tun!«
Der bittere Klang in Marthas Stimme bewies Klara, dass das Mädchen auch zu den Opfern jener Männer zählte.
»Wie kann der Graf so etwas zulassen?«, fragte sie verständnislos.
Martha stieß einen Laut aus, der ein Lachen sein sollte, angesichts ihrer geprellten Rippen aber in einem Ächzen endete. »Graf Benno ist der Schlimmste von allen! Wenn ihm ein Mädchen ins Auge sticht, muss er es haben. Er hat mich das erste Mal bestiegen, als ich fünfzehn war, und mich hinterher seinen Knechten überlassen. Ich wollte, der Bär hätte ihn gefressen anstelle seiner Kerle.«
Obwohl Klara ihre Begleiterin in gewisser Weise verstand, schüttelte sie den Kopf. »Man wünscht keinem Menschen den Tod!«
»Doch, wenn man weiß, dass er einen selbst umbringen will! Da er meine Leiche nirgends finden wird, dürfte Graf Benno mich weiter verfolgen. Es wäre am besten, wenn ich mich im See ertränken würde. Ich wage mir gar nicht auszudenken, was er mit mir machen wird, wenn er mich wieder in seine Hand bekommt – und auch mit dir!«
Klara begriff erst jetzt, dass sie sich mit Marthas Rettung selbst in die Nesseln gesetzt hatte. Schnell genug, um einem Verfolger wie Graf Benno zu entgehen, kamen sie zu Fuß nicht voran, zumal ihre Begleiterin so zerschlagen war, dass sie nur mühsam humpeln konnte.
»Der Herr im Himmel wird uns führen«, sagte sie und wurde unwillkürlich schneller.
Martha stöhnte, wagte aber nicht, hinter Klara zurückzubleiben, und murmelte daher einen Fluch nach dem anderen. Zudem fror sie im Nachtwind erbärmlich.
»Wir hätten meine Kleider mitnehmen sollen«, maulte sie nach einer Weile. »Mir ist verdammt kalt!«
»Verzeih! Daran habe ich nicht gedacht.« Klara blieb stehen, stellte ihr Reff auf den Boden und holte ihr zweites Hemd und ihren Mantel heraus, damit Martha nicht weiterhin nackt herumlaufen musste. Zum Glück war ihre Begleiterin es gewohnt, barfuß zu gehen, so dass sie wenigstens nicht dadurch behindert wurden.
»Sobald es hell ist, werde ich mir deine Verletzungen ansehen und Salbe auf sie schmieren«, sagte sie, als sie weitergingen.
Dabei wurde ihr klar, dass sie sich mit Marthas Rettung eine Verpflichtung aufgeladen hatte, die kaum zu erfüllen war. Sie brauchte Kleidung für das Mädchen und musste es so lange durchfüttern, bis es wieder auf eigenen Beinen stehen konnte. Dabei hatte sie so viel Geld wie möglich verdienen wollen, um mit ihrer Mutter und den Geschwistern gut durch den nächsten Winter zu kommen.
Klara ärgerte sich über ihre eigene Unbesonnenheit, befürchtete aber auch, der Verantwortung für Martha nicht gerecht werden zu können. Worauf habe ich mich da nur eingelassen?, fragte sie sich besorgt. Ich hätte zu Hause bleiben und Mutter helfen sollen, Kräuter zu ziehen und zu sammeln. Ein wenig Geld hätten wir auch damit verdient. Dann aber fiel ihr ein, dass ihr Onkel die Mutter dann ganz sicher davon überzeugt hätte, ihm den Schatz des Vaters auszuliefern. Allerdings würde das auch geschehen, wenn sie zu wenig Geld von ihrer Strecke nach Hause brachte.
Niemals!, schwor Klara sich und fragte sich gleichzeitig, was das für ein Schatz sein sollte. Die Mutter hatte ihr nicht gesagt, worum es sich handelte, und auch nicht, wo dieser verborgen lag. Ihren Worten zufolge hatte sie ihn selbst nie gesehen. Sehr groß kann er nicht sein, sagte sie sich, sonst würde es dem Onkel bessergehen. Doch Alois Schneidt musste immer noch als Wanderapotheker durch die Lande ziehen und war keiner der hohen Herrschaften, die vierspännig vorfahren konnten. Bei dem Gedanken lachte sie auf und verwirrte Martha
Weitere Kostenlose Bücher