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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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Sonnenterrasse der Bergstation der Osterfelderbahn, wo wir bereits von einer dank mehrerer Maß Bier fröhlich singenden Gruppe japanischer Seilbahn-Touristen erwartet wurden, eine kleine Ruhe pause ein. Nachdem wir uns einen Gipfelschnaps gegönnt und unseren schlimmsten Durst mit ein paar großen Gläsern Apfelsaftschorle (oder waren es doch Radler?) gestillt hatten, machten wir uns auf zum Endziel des heutigen Tages, der rund 700 Höhenmeter tiefer gelegenen Höllentalangerhütte. Nach einem sich endlos hinziehenden Marsch mit steilen Kehren und kniemörderischen Stufen erreichten wir die Hütte schließlich rechtschaffen müde.
    In der Nacht war es mit einem Schlag vorbei mit dem schönen Wetter. Es fing fürchterlich an zu regnen. Lautstark pladderte es auf das Hüttendach. Pausenlos. Um sechs Uhr rasselten diverse Wecker, einer begann schon fünf vor sechs, nämlich der der überkorrekten Juristin.
    Nach einer Katzenwäsche und einem ausgiebigen Früh stück verließen wir die Hütte, das Pladdern war in einen dezenten Landregen übergegangen, und die Sicht war gleich null. Hatten wir am Tag zuvor von der Terrasse der Hütte aus noch Teile von den beiden Klettersteigen, die auf die Zugspitze führen, einsehen können, war jetzt alles in Watte gehüllt. Sepp wackelte bedenkenschwer mit dem Kopf, brummte und beriet sich mit dem Hüttenwirt darüber, ob es zu verantworten sei, bei diesem Wetter die Tour fortzusetzen. Die Prognose im Radio war nämlich in Sachen Bergwetter auf der Zugspitze nicht eindeutig gewesen. Nach kurzer Diskussion traf Sepp eine Entscheidung: Wir würden es versuchen!
    Nach einer knappen Stunde Marsch (ich hatte einen saftigen Muskelkater vom Vortag) erreichten wir den Ein stieg in den ersten Teil des Zugspitzklettersteigs und legten unsere Ausrüstung an. Mittlerweile schon so routiniert, als wären es unsere Pyjamas.
    Und da war sie schon, die in so vielen Führern beschriebene »Leiter«, eine lange, senkrechte Reihe von Eisenkrampen, mit deren Hilfe eine rund zwölf Meter hohe Felswand überwunden wird.
    Als nächstes Highlight wartete, gleich nach der Leiter, das berühmt-berüchtigte »Brett« auf uns. Das Brett ist natürlich kein echtes Holzbrett, sondern eine ziemlich steile und glatte Felswand. Diese gilt es, in rund 100 Meter Höhe auf Stahlstiften, die als einzige Tritthilfe waagrecht in den Fels geschlagen worden waren, auf einer Länge von fast fünfzig Metern zu überwinden. Einige der Stifte waren schon ziemlich verbogen, krumm wie Bananen jenseits jeder EU-Norm. »Verdammte Schlamperei, hätte man die Dinger nicht beizeiten austauschen können«, empörte sich Katharina, zu deren Sekundärtugenden, neben einem ausgeprägten Sicherheitsden ken, auch ein Ordnungssinn gehört, der selbst altgediente Bürokraten vor Neid erblassen lässt.
    Auch wenn der Balanceakt ein wenig Überwindung kostete, die Brettbegehung habe ich keineswegs als so heikel empfunden, wie sie oft dargestellt wird. Vielleicht auch deshalb, weil die Sicht so schlecht war, dass man die gähnende Tiefe unter den Sohlen nur erahnen konnte. Oder um es mit Katharina zu sagen: »Gut, dass man nichts sieht!« Nebel und Nieselregen verschluckten alles. Mit der versprochenen fantastischen Sicht ins Höllental war es an diesem Tag erst recht nichts.
    Und weiter ging es über den »grünen Buckel«, eine nicht wirklich grüne Moränenlandschaft am Anfang des Höllentalgletschers. Der Höllentalgletscher ist der Ein zige von Deutschlands verbliebenen drei Gletschern (oder sollte man vielleicht besser sagen »Gletscherchen«), der über eine Zunge verfügt. Ebenfalls im Zugspitzmassiv befindet sich Deutschlands größter Gletscher, der Schnee ferner. Ein Gletscher, der alljährlich einen Sonnenhut verpasst bekommt. Die Bayerische Zugspitzbahn als Betreiber der Seilbahnen und Lifte auf Deutschlands höchstem Berg lässt nämlich bereits seit achtzehn Jahren die wegen der Erderwärmung dramatisch schwindenden Eismassen des rund dreißig Hektar großen Ferners jedes Jahr zu Beginn der Sommerzeit mit Matten und Planen abdecken. Der dritte verbliebene Gletscher ist der am Hochkalter gelegene Blaueisgletscher, der gleich zwei Rekorde für sich in Anspruch nehmen kann: Zum einen ist dieser Gletscher der nördlichste der Alpen, und zum anderen hat die am Rande des Gletschers gelegene Blaueishütte hungrigen Wanderern das wohl üppigste und auch leckerste Kuchenbüffet aller Alpenhütten überhaupt zu bieten.
    Übrigens: In den

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