Die Wanderbibel
hängt zuvorderst davon ab, wie viele Produkte der Verkäufer im Outdoor-Geschäft dem Wandersmann zusätzlich verkaufen konnte.
Welche Kleidung, welche Utensilien jedoch benötigt der moderne Wandersmann auf jeden Fall? Einmal saßen wir auf einem sonnigen Buckel im Hochschwarzwald. Ich trug weite, abgeschnittene Jeans mit großzügigen Ausfransungen, da japste ein junges Paar auf uns zu mit hochroten Köpfen und teuren Trekking-Outfits samt gut lesbaren Markennamen. Was hatten die Frischlinge falsch gemacht? Sie trugen tiefschwarze Hosen und Hemden sowie anthrazitfarbige Kappen, die schwarz eingepackten Körper waren also dank der Sommersonne gnadenlos überhitzt. Dafür sah das Pärchen mit seinen gelben Sportlatschen todschick aus.
Schnell trocknende Funktionswäsche ist angenehm, inzwischen Standard und wird sogar von den einschlägigen Discountern regelmäßig zu günstigen Preisen angeboten. Ungern erinnere ich mich an eine Outdoor-Jacke, die ich vor vielen Jahren für 700 Mark in einem gut frequentierten Outdoor-Shop kaufte. »Fürs Hochgebirge«, dachte ich mir, »fürs Alltagsradeln und den heimischen Winter holst du dir beim Aldi eine billige Jacke.« Die 700 Mark waren nach einem Jahr nicht mehr wasserdicht und nach drei Jahren entsorgt, die wenig attraktive hellgraue Aldi-Jacke trage ich heute im Hochgebirge, egal wie ich darin aussehe, beim Wandern bin ich nicht auf der Balz. Apropos wasserdicht: Die letzte wirklich hundertprozentig dichte Jacke trug ich als Zwölfjähriger. Es handelte sich dabei um den legendären postgelben Ostfriesennerz, unter dem man allerdings höllisch schwitzte.
Zipp-Hosen sind zwar praktisch, lange Hosenbeine schützen jedoch vor Brennesseln, Insekten, Sonne und Schrammen jeder Art. Ich erinnere mich, wie ich mit abgezippten Hosen, sprich entblößten Beinen, eine Allgäuer Bergwiese durchquerte, nachdem ich mir am Fels ein paar Schrammen eingefangen hatte. Nach wenigen Minuten juckten meine Beine so höllisch, dass ich in den nächsten eiskalten Gebirgsbach stieg, um die Pollen wegspülen zu lassen – jedes Wassertretbecken im Kneipp’schen Sinne war deutlich wärmer.
Wasser braucht der Wandersmann zuallererst und regel mäßig, und zwar zwischen 0,3 und 0,4 Liter pro Stunde, je nach Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind – ein strammer Wind macht aus einem Körper nämlich rasch Dörrfleisch. Eine Schweizer Firma hat seit unzäh ligen Jahren ihre berühmten metallglänzenden Aluflaschen mit grauem, karabinergeeigneten Verschluss auf dem Markt, dazu werden Isoliertaschen angeboten (»Thermo Bottle Bag«), neuerdings sogar ein Neoprenüberzug ohne denglischen Namen. Die Liste der Nachteile der Flaschen, die bei uns bald ausgedient hatten, ist lang: Die grauen Verschlüsse sind schnell undicht, vor allem bei großen Höhen-, sprich Druckunterschieden, sie sind verbeult und verkratzt, sobald sie die eine oder andere Felsberührung hinter sich haben, machen dann also nichts mehr her. Außerdem isolieren die Isoliertaschen nicht wirklich lange und muffeln rasch nach schlecht getrocknetem Regenschirm, wenn sie das Wasser der nicht mehr ganz dichten Aluflaschen aufnehmen müssen. Zudem sind die Alubehältnisse schwerer als hundsgemeine PET-Flaschen, Mineralwasser, Ein- oder Mehrweg von Gerolsteiner bis zum No-Name-Produkt. Diese popeligen PET-Flaschen sind garantiert hundertprozentig dicht, und sobald sie verbeult und häss lich sind, werden sie umweltgerecht entsorgt oder man holt sich ein paar Cent Pfand zurück.
Wer am frühen Morgen, wenn es noch kühl ist, oder während einer Winterwanderung kein eiskaltes Wasser in seinen Bauch kippen will, füllt sich (nicht zu!) heißes Wasser in die Plastikflasche und wickelt sie in eine kleine Fleece-Decke. Hübscher Nebeneffekt: Beim Pausieren kann man die vorgewärmte Decke über die Beine legen. Wer unterwegs heißen Tee oder Kaffee trinken möchte, kommt nicht umhin, eine Thermoskanne mitzunehmen. Bei den meisten höherwertigen Patenten ist dabei nicht viel auszusetzen. Es gibt freilich Snobs, die ihr Heißgetränk wirklich heiß, sprich: kochend heiß trinken möchten. Die Outdoor-Küche hat ultraleichte Gas- und Spirituskocher und »Teapots aus Edelstahl« im Programm, ja sogar einen »Esbit Stainless Steel Coffeemaker«, ultraleichte Kaffeefilterhalter oder eine 200 Gramm leich te Kaffeemühle »Javagrinder«. Dass man einen ultraleichten Spirituskocher mittels einer alten Konservenbüchse und etwas Zubehör aus dem
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