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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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fest.
    Unser Altkanzler Helmut Kohl würdigte die Feierfreude der Pfälzer sogar in seiner 1958 verfassten Dissertation »Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945«: »Die Pfalz beheimatet – soweit sich solche allgemeinen Feststellungen treffen lassen – einen fröhlichen und weltoffenen Menschenschlag, der viel Sinn für gesellschaftliches Zusammenleben und die Freuden der Zeit hat und dem dogmatischen Denken abgeneigt ist.«
    Ähnlich wie Kohl, aber doch unter deutlich negativeren Vorzeichen, äußerte sich in einer Urteilsbegründung 1996 der Richter am Landgericht Mannheim Wolf Wimmer über die Vorderpfälzer: »Es sind Menschen von, wie man meinen möchte, heiterer Gemütsart und jovialen Umgangsformen, dabei jedoch mit einer geradezu extremen Antriebsarmut, deren chronischer Unfleiß sich naturgemäß erschwerend auf ihr berufliches Fortkommen auswirkt.« Wimmer ist, glaube ich, immer noch persona non grata in der Pfalz.
    Und auf den Wein- und sonstigen Festen bietet sich auch die Möglichkeit, mit der Urbevölkerung näher in Kontakt zu treten und einmal den Pfälzern aufs Maul zu schauen oder, wie das landestypisch heißt, »die Pälzer Schbrooch zu studiere«. Und dann merkt man recht schnell, dass die Mundart des Pfälzers durchaus seiner Mentalität entspricht: offen und ehrlich, aber auch laut, derb und ziemlich schimpfwortlastig. Zumindest jeder dritte Satz wird mit dem Götzzitat begonnen oder beendet. Eines der absoluten Lieblingsworte des Pfälzers ist »Ferz« (Fürze), das in zahlreichen Varianten in nahezu jedem Gespräch auftaucht: »Mach bloß kä Ferz!« heißt es in der Pfalz, wenn es gilt, einem Mitbürger den rechten Weg zu weisen. Ist jemand ein Sprücheklopfer, wird er als »Ferzbeitel« bezeichnet, dessen Sprüche bestenfalls »Ferz mit Kricke« (Krücken) sind. Ich brauchte Monate, um herauszufinden, dass man in der Pfalz unter einem »Ferzverdeeler« den Rückenschlitz eines Mantels versteht.
    Und mit etwas Glück trifft man auf einem Weinfest am Nebentisch auch auf einen leibhaftigen Ministerpräsidenten. Ein rheinland-pfälzischer Landesvater muss nämlich schon allein von Berufs wegen jedes Jahr gefühlte 5000 dieser in der Pfalz so beliebten Volksfeste eröffnen. Bei Kurt Beck, dem derzeitigen Mainzer Regierungschef, der es mit dem legendären Satz: »Meine Frau sagt immer, ich habe Haare wie ein Meerschweinchen«, für immer in mein Herz geschafft hat, habe ich allerdings den Eindruck, er hält sich dort auch ausgesprochen gerne auf.
    Seit Neuestem können im Pfälzerwald übrigens nicht nur die Genussmenschen, sondern auch eher asketisch orientierte Wanderer glücklich werden. Bietet doch der Verein Südliche Weinstraße e.V. zusammen mit mehreren Ortsgemeinden abenteuerlustigen Wanderern »mitten in der Wildnis« Freilandübernachtungen an insgesamt sieben Stellen an. Diese sogenannten »Trekkingplätze« sind zwar nur einen Katzensprung von Komfort entfernt, aber dennoch lediglich zu Fuß erreichbar, und verfügen über bis zu sechs Lagerplätze, eine Feuerstelle und ein einfaches Klohäuschen. Mehr nicht. Wasser und Verpflegung müssen die Trekker selbst mitbringen. Die Buchung des Pfälzer Freiluftabenteuers gestaltet sich relativ einfach: Im Internet Plätze aussuchen und buchen. Nach der Buchung bekommt man dann die genauen GPS-Daten des gewünschten Platzes per E-Mail übermittelt.
    Wem der Sinn weniger nach deftigen Speisen, sondern eher nach Haute Cuisine steht, dem kann ich nur wärmstens empfehlen, sich im September ins Sauerland zu begeben. Dort bietet nämlich der Olper Stadtmarketingverein Olpe Aktiv e.V. jedes Jahr am zweiten Samstag im September unter dem Motto »Wandern & Schlemmen« seine berühmte »Kulinarische Wanderung« an. Auf fünfzehn durchaus zu bewältigenden Kilometern Wanderstrecke rund um Olpe werden hier dem Gourmetwanderer an fünf Stationen kulinarische Köstlichkeiten angeboten. So bekam man 2009 etwa an Station Nummer 3 Rehragout mit Pfifferlingen, Maronen und Rotkohlknödeln und schloss die Wanderung an der Nummer 5 mit einer Nougatmousse mit Safranbirnen ab. Ob man bei dieser Art zu wandern etwas für die schlanke Linie tut, ist natürlich eher fraglich. Gaumen und Magen freuen sich aber allemal.
    Übrigens hatte ich immer den Eindruck, dass die »Kulinarischen Wanderer« zu 90 Prozent von der Gourmetseite kommen. Die meisten folgen offensichtlich dem Motto: »Schlemmen ist prima, aber ein

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