Die Wanderbibel
Chemiebaukasten des Filius selbst herstellen kann, wird eines Tages in der »Bastelbibel« nach zulesen sein.
Reichlich affig und zudem unhygienisch sind Trinkrucksäcke oder Trinkblasen (»Streamer«) mit Gartenschlauch direkt zum Mund des Delinquenten, damit dieser bloß nicht stehen bleiben muss, sondern seinen Weg nonstop durchschreiten kann. Doch spätestens, wenn man an die Schokolade oder den Müsliriegel will (die man wegen der hässlichen braunen Flecken bestimmt nicht in der Hosentasche trägt), muss man doch anhalten. Außerdem will zugeführtes Wasser den Körper auch wieder verlassen; ein Vorgang, währenddessen mann dann doch pausieren muss, von frau ganz zu schweigen.
Wenn der Tank leer ist, muss Sprit nachgezapft werden, das gilt fürs Auto wie für den menschlichen Körper, mit dem Unterschied, dass der Mensch nicht nur Flüssiges benötigt. Neue Energie tanken – nichts scheint leichter als das: Ein kurzer Griff in die Außentasche des Rucksacks und schon hält man reichlich neue Power in der Hand – einen Energieriegel. Ein Biss, ein Kick, und weiter geht’s mit neuer Kraft für die letzten drei, vier, fünf Kilometer. Das ist zumindest das, was die einschlägige Werbung verspricht. Flotte Werbesprüche, gespickt mit Anglizismen wie »high performance«, »athletic energy« oder »absolute power«, verheißen dem nahrungsergänzungsmittelindustriegläubigen Riegelkonsumenten eine effek tive High-Tech-Ernährung. Aber was ist dran an der hübsch in buntem Zellophan verpackten Extrapower für Körper und Köpfchen?
Ist das wirklich die ideale Zwischenmahlzeit für unterwegs? Bringt ein solcher Riegel beim Wandern wirklich innerhalb kürzester Zeit verbrauchte Energie zurück? Macht uns der Biss in »Powerbar und Co.« tatsächlich zum Wanderchampion?
Die Stiftung Warentest hat vor ein paar Jahren diverse Energieriegel genauer unter die Lupe genommen und ist dabei zu einem interessanten Ergebnis gekommen. Die Riegel stellen zwar in den meisten Fällen tatsächlich innerhalb kürzester Zeit reichlich Energie in Form von Kohlenhydraten zur Verfügung, sind aber oft ziemlich teuer. Laut Stiftung Warentest bietet die Natur eine kostengünstigere Alternative mit ähnlicher Wirkung: Die gute alte Banane tut es nämlich auch. Eine Banane ent hält nach Angaben der Universität Düsseldorf rund 20 Pro zent Kohlenhydrate bei nur 1,2 Prozent Eiweiß und nur 0,2 Prozent Fett. Zudem ist sie aufgrund ihrer weichen Konsistenz und dem hohen Wasseranteil sehr gut bekömm lich und kann leicht verdaut werden. Allerdings sollte es sich schon um reife Bananen handeln, andernfalls können Blähungen (siehe Kapitel »Wieviel Masse verträgt ein Massenlager?«) oder Durchfall ins Haus stehen.
Einen Vorteil gegenüber den krummen Südfrüchten haben Energieriegel jedoch. Man kann sie stets griffbereit in den diversen Taschen eines Rucksacks verstauen. Und zerdrückt werden sie auch nicht, ganz im Gegensatz zu einer Banane. Wer je versucht hat, eine reife Banane aus seinem einzigen Ersatzhemd herauszukratzen, weiß was ich meine.
Ich persönlich mag weder High-Tech-Riegel noch Bananen als Marschproviant. Leider haben viele Riegel nämlich eine durchaus gewöhnungsbedürftig trockene Konsistenz, was die Nahrungsaufnahme ziemlich erschwert. Das ist etwa so, als müsse man verbackenes Sägemehl zermalmen und schlucken – da hilft auch ein leckerer Schoko- oder Maracujageschmack nichts. Und Bananen konnte ich schon als Kind nicht leiden. Sicherlich waren es irgendwelche pränatalen Beeinträchtigungen, die mich schon lange vor Oliver Kahn zum bekennenden Bananenhasser haben reifen lassen.
Ich pfeife auf die Erkenntnisse der moder nen Ernährungsphysiologie und ernähre mich unter wegs völlig unausgewogen, aber schmackhaft. Schokolade, Grau- oder Schwarzbrot, gekochte Eier, Büchsenfisch, Landjäger, Kaminwurzen, Schwarzwälder Schinken, Berg käse der jeweiligen Region, Karotten, Paprika oder anderes Gemüse – das gehört zu meinem Standardspeiseplan. Das Ganze lässt sich bequem und sicher in den allseits bekannten eckigen Aludosen transportieren. Sofern einen abends noch die Kochlust packt und etwa Kartoffelsalat auf dem Speiseplan für den Folgetag steht, so sollte man diesen unbedingt in einem Behältnis mit Schraubverschluss deponieren – der berühmte Druckunterschied mit zunehmender Höhe hebt jeden Tupperdeckel und sorgt für Schmierentheater im Rucksack.
Auf längeren Touren habe ich übrigens immer zwei
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