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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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bekommen und sei fit wie eine Bergziege.
    Heute, in Zeiten des Internets, gibt es einfache Regeln, wie man mehr als nur nette Unterkünfte findet: Man suche primär nach dem Günstigsten. Die billigsten Ferienwohnungen sind nämlich in der Regel diejenigen, die privat vermietet werden, meist von älteren Ehepaa ren, die im Dachgeschoss oder Souterrain noch eine kleine Wohnung haben, oft mit dem Charme der siebziger Jahre, aber top gepflegt. Die Dame des Hauses ist schon mal stolz darauf, dass die knapp vierzig Jahre alte Küchenzeile immer noch wie neu aussieht. Regel Nummer zwei lautet: Nicht online buchen, sondern telefonisch und einen kleinen Schwatz halten, um herauszufinden, ob das Gegenüber sympathisch ist und ob das im Netz Gepriesene mit dem übereinstimmt, was man seinem Telefonpartner aus der Nase ziehen kann.
    Ein bisschen Glück braucht man freilich. Vor einigen Jahren reisten wir ohne Unterkunft gebucht zu haben ins Südtiroler Ahrntal, marschierten am frühen Nachmittag in die Touristen-Info und bekamen zwei Adressen. Hinter einer verbarg sich eine scheußliche, dunkle Wohnung ohne jeden Charme mitten in Sand, samt einer Vermieterin, die genauso muffig erschien wie die Unterkunft und offenbar nur eines im Sinn hatte: abkassieren und wieder verschwinden.
    Die zweite Adresse entpuppte sich als eine riesige Siebziger-Jahre-Wohnung im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Mühlen. Zimmer in der Größe von Festsälen, Ausblick vom Schlafzimmer auf den Großen Moosstock, der einige Jahre zuvor unser erster Dreitausender überhaupt war, eine große und helle Küche, zwei Badezimmer sowie eine nette Wirtsfamilie in unserem Alter: Der Herr des Hauses stellte uns als Erstes zwei Bier in den Kühlschrank und versorgte uns mit Wurst – er war Metzger – sowie mit Literatur über die Gegend samt Geheimtipps. Und an den wenigen Tagen mit schlech tem Wetter plauschten wir wieder bei Kaffee, Keksen, Kuchen und Grappa. In welcher Pension, in welchem Appartementblock oder Hotel erlebt man das?
    Dass diese Regeln nur für das kontinentale Festland gelten, womöglich nur für die deutschen Mittelgebirge und die Alpen, mussten wir anlässlich eines runden Geburtstages lernen, als ich nämlich auf Mallorca wandern wollte, um dem Gratulationsterror zu entfliehen. »Bloß kein Pauschalurlaub in einem Prolo-Hotel«, sagte ich zu Anja. Das war ein Fehler. Vor Ort angekommen, verließen wir das via Internet und Kontrollanruf gebuchte Privatzimmer fluchtartig. Es hatte die Größe eines mittleren Ehebettes für Gartenzwerge: Hätten wir den Raum betreten, hätten wir ihn unmöglich wieder verlassen können. Was nicht so tragisch gewesen wäre, denn die Wirtin gedachte, unser Frühstück ans Bett zu servieren. Wahrscheinlich hätte sie jedoch gar nicht mitbekommen, dass wir schon wach waren, denn das Haus war eine einzige Baustelle, und alle fünf Sekunden raste ein Moped durch die enge Gasse neben dem Zimmerfensterchen. So landeten wir dann doch in einem jener Hotels, in dem wir jeden Abend durch unsere matschigen Wanderstiefel auffielen, erwischten wir doch die einzige längere Regenperiode des damaligen Frühlings. An meinem runden Geburtstag »stiegen« wir bei Nieselregen auf einen fünfhundert Meter hohen Bergriesen. Dafür genossen wir ein fünfgängiges Abendessen, wobei ich an den letzten Hochprozentigen keine Erinnerung mehr habe.

20 Sammler sind glückliche Menschen
    Von Höhenmeterfressern und Dreitausender-Junkies
    Der Wanderer folgt einem uralten, genetisch vorgegebenen Programm wie schon sein Vorfahre Ötzi. Mit dem Unterschied, dass der moderne Pfadfinder keinen Köcher mit sich herumschleppt, sondern ein Schweizer Taschenmesser. Außer Mountainbikern hat er auch keine natürlichen Feinde – wenigstens schießen Mountainbiker nicht mit Pfeil und Bogen, Waffen, die Ötzi damals ja ins ewige Eis befördert hatten.
    Psychologisch gesehen will vor allem der männliche Wanderer Eindruck schinden, und zwar beim anderen Geschlecht. Da er keine Pfauenfedern aufweisen kann und die Fotos, welche den Gipfelstürmer in kariertem Hemd neben dem Gipfelkreuz zeigen, bei den blonden Kolleginnen in der Mittagspause auf dem Laptop nichts hermachen, muss er seine Vorteile bei der Balz konstruieren. Ach, könnte er doch wie jener Mountainbiker in den Dolomiten sein Statussymbol, seinen Fetisch auf einem Schneefeld drapieren samt Drei Zinnen im Hintergrund! Ja, auch er würde diesen in gebückter Haltung mit der Digitalkamera

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