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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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so lange umtänzeln, bis er postkartentauglich im Sucher erschiene, bis die Tausende von Euro in Form eines martialischen Sportgerätes die Drei Zinnen zu einem grauen Hintergrund verkommen lassen würden! Wie peinlich sind dagegen verdreckte Wanderstiefel und Teleskopstöcke. Nun, die Leistung macht’s! Höhenmeterfresser und Dreitausender-Junkies sind vergleichbar mit Goldkettchenträgern, lärmenden Motorradfahrern und eben Mountainbikern – Testosteron ist alles.
    In Südtirol begegneten uns zwei junge Männer, die vom tiefer gelegenen Talort Trafoi aufs Stilfser Joch emporgestiegen waren, einen Dreitausender zur Rechten mitnahmen (die Rötlspitze), das Joch querten und einen Dreitausender zur Linken (Monte Scorluzzo) einsackten, um wieder nach Trafoi zu joggen. 32.000 Höhenmeter machten sie in zwei Wochen. Zweitausend hoch, zweitausend runter, macht viertausend, und das an einem Tag, das war für sie kein Kunststück, und außerdem hatten sie schon über fünfzig Dreitausender in ihrer Sammlung. Wobei das Sammeln von Wander-Dreitausendern in den Alpen kein wirklich großes Kunststück ist, der Klimaerwärmung sei Dank. Bergwanderer in den Alpen können nämlich auf immer mehr große Gipfel steigen, ohne einen Gletscher zu betreten, und so gibt es unter Alpinwanderern eine regelrechte Jagd auf Berge jenseits der magischen Marke 3000. Nahezu in allen Alpengebieten mit entsprechend hohen Gipfeln sind Dreitausender begehbar und markiert, angefangen bei einfachen Halbtageszielen bis hin zu schwierigen Touren, bei denen weit mehr erforderlich ist als ein wenig Schwindelfreiheit. »Latsch-Dreitausender« heißen die Gipfel, die man vom Auto aus mitnehmen kann. Einen knappen halben Tag muss man veranschlagen, »latscht« man etwa vom Umbrailpass an der italiensch-schweizerischen Grenze auf den 3033 Meter hohen Piz Umbrail und wieder zurück. Die fünfhundert Höhenmeter sind ohne Schwierigkeiten zu bewältigen, dafür hat man vom Gipfel aus eine exzellente Sicht auf die Ortler-Gruppe. Von einer anderen Passhöhe, dem schweizerischen Albulapass, lässt sich der 3016 Meter hohe Igl Compass besteigen. Immerhin 750 Höhenmeter sind dabei zu überwinden, an einer Stelle muss der Wanderer seine Hände zur Hilfe nehmen, um eine einfache Steilstufe zu erklimmen. Der Berg ist noch ein Geheimtipp, zumal er nur in wenigen Wanderführern verzeichnet ist, erst recht nicht in den »Bibeln« für Dreitausender-Wanderer. Wer etwa den Tourenvorschlägen von Dieter Seibert (»Leichte Dreitausender«) folgt, muss zwar nicht gerade mit einem Massenansturm rechnen, aber mit »erhöhter Betriebsamkeit«. Seiberts 99 Dreitausender mit Weg finden sich allesamt in den Ostalpen, in jeder Berggruppe hat er einfache und schwierige Wander-Dreitausender ausgesucht. Gemeinerweise führt Seibert auch Dreitausender auf, die der Normalwanderer völlig unterschätzt. Der 3004 Meter hohe Furgler, östlicher Eckpfeiler der Samnaungruppe, kann getrost als Berg der dicken Bäuche und hochroten Köpfe gelten. Dank der Seilbahn, die einen Gutteil des Aufstiegs von Serfaus aus abkürzt, meinen viele Flachlandtiroler, der Berg sei einfach zu erwandern, doch einige Kletterstellen und Blockhalden sind ab einer bestimmten Körperfülle schier unüberwindlich.
    Wie beim »richtigen« Bergsteigen, gibt es auch beim Alpinwandern sechs Schwierigkeitsgrade, wobei der erste Grad bei Dreitausendern gar nicht vorkommt – quasi flanieren mit Turnschuhen und ohne jedes Orientierungsvermögen. Ab dem zweiten Grad heißt es Bergstiefel anziehen und gründlich den Weg beachten. Auf dem zweiten Grad wandert, wer etwa auf zum Teil breiten, ja geteerten Wegen auf den Bella Tola (3025 Meter) im Wallis »latscht«, ein unauffälliger Gipfel zwischen dem Val d’Anniviers und dem Turtmanntal. »Richtige Alpinwanderer« schätzen den Berg zwar wegen seiner spektakulären Aussicht auf über sechzig Viertausender vom Finsteraarhorn über den Weissmies bis hin zum Mont Blanc, meiden ihn aber wegen des Massenandrangs lieber. Ab dem dritten Grad sind alpine Erfahrung, Tritt sicherheit und Orientierungsvermögen vonnöten, ab dem vierten sollte man mit exponierten Stellen rechnen, mit kleineren Kletterpassagen oder Firnfeldern. »Anspruchsvolles« und »schwieriges Alpinwandern« begeht man in Grad T5 und T6 – hier wird die Grenze zum Bergsteigen überschritten, der Umgang mit Hilfsmitteln wie Seil, Steigeisen und Pickel sollte beherrscht werden. Das schweizerische Standardwerk für

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