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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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Kontakt mit sich selbst. Naturschönheiten und Genussfreuden runden dieses besondere Paket für wahre Romantiker ab.« Die Liste der romantischen Extras ist lang. Ein »Romantik-Welcome am Zimmer mit Rosenblättern, ein Picknickkorb mit Spezialitäten für Ihr romantisches Picknick in idyllischer Natur, eine einstündige Alpenblick Antistress-Massage mit Alpinkräutern, eine Ganzkörpermassage mit Chrystal Murmeltieröl, ein Südtiroler Heubad zur Regeneration und sanften Pflege der Haut, ein Honig-Zirbenkiefern-Bad zu zweit in der Kaiserwanne mit einem Glas Prosecco und würzigen Häppchen sowie ein Romantik-Candlelight-Dinner nur für Sie.« Ehegatten mit Hang zum kühlen Kölsch und Formel 1 werden begeistert sein.
    Wanderasketen und solche mit schmalem Geldbeutel brauchen nicht mehr als zwei Betten, einen Schrank, eine Küchenzeile und eine einfache Waschgelegenheit, vor allem wenn sie täglich in die Berge gehen, quasi ein Wohnklosett mit Kochnische, Holländer nennen es »Caravan« (deutsch: Wohnwagen). Abends muss ein deftiges Gericht auf den Herd (Spaghetti mit Tomatensoße oder ein Bauernessen mit Bratkartoffeln, Zwiebeln, Ei und Speck), das schnell fertig ist, und dazu ein Heineken-Bier. Dass nach einer Wanderung sogar österreichische Biere schmecken, sei nur am Rande erwähnt. Nach dem Essen und Abspülen brütet man über der nächsten Tour und studiert Karten und Wanderführer.
    Es gibt natürlich auch Wirtinnen, die man als legendär bezeichnen muss. Ende der neunziger Jahre landeten wir in einem kleinen slowenischen Dorf. Von Weitem sahen wir das Leuchtsymbol eines leeren Bettes vor einem Haus, in dem offenkundig ein gutes Dutzend Zimmer mit Frühstück vermietet wurden. Die Wirtin war achtzig Jahre alt und betrieb das Haus Zeit ihres Lebens. Es waren die einzigen Wanderurlaube, nach denen wir schwerer als vorher nach Hause kamen, denn die Wirtin kochte fürstlich und fragte morgens, was wir denn für unterwegs mitnehmen wollten. Beim Kaffee und den etwas zu weichen Brötchen fiel uns meist nur Kartoffelsalat und Cevapcici ein. Noch bevor die anderen Gäste zum Frühstück auftauchten, brutzelte sie drauflos und verstaute die Wegzehrung in einem der unzähligen, über Jahre immer wieder verwendeten Langnese-Eisbehälter ihres Vorratsschrankes. Die Gewichtszunahme resultierte auch aus den Palatschinken und den vielen selbstgebrannten Schnäpsen, ein höllisch brennendes Gesöff, das uns zu Hause gar nicht mehr schmeckte. In Österreich übrigens wurde uns von Vermietern meist Enzianschnaps angeboten, in Südtirol Grappa. Den eigenwilligsten Hochprozentigen lernten wir im Engadin kennen. »Iva« nannte es das Vermieterpärchen, ein Likör oder Schnaps aus Blättern der Moschus-Schafgarbe (auch Ivakraut genannt), angesetzt nur mit einer Handvoll Blüten, damit er nicht zu bitter ausfällt. Iva duftet nach frisch gemähten Bergwiesen und schmeckt wie ein zu süffig ausgefallener Magenbitter. Nach einem verstärkten Kaffeetrinken an einem Regentag fiel die geplante große Tour am Folgetag dem Kater zum Opfer. Dafür kannten wir jetzt sämtliche Geschichten des ehemaligen Grenzwächters, der im schweizerischen Nationalpark italienische Schmugglerinnen zur Strecke brachte, die am Morgen gertenschlank gen Italien zogen, abends als Matronen zurückkamen und überall am Leib Kaffeepäckchen trugen. Eine verbliebene Gertenschlanke versuchte dabei stets dem Grenzer den Kopf zu verdrehen, derweil die anderen versuchten, unbehelligt davonzukommen. Die Erfolgsquote dieser professionellen Wandersleute erfuhren wir nicht. Der Grenzer versuchte uns auch eine Geschichte glaubhaft zu machen, in der ein unerfahrenes römisches Ehepaar einen steilen Pfad ganz in der Nähe des Grenzpostens hinabsteigen wollte. Die Grenzer rieten zur Vorsicht, worauf der Gatte seiner Liebsten ein Seil umband, und zwar um den Hals. Sehr zum Vergnügen der Grenzer, die dann aber doch die Römerin vor weiterem Unglück bewahrten. Die gerettete Gattin schickte daraufhin der Legende nach eine Kiste besten italienischen Weins an die Adresse des Grenzpostens.
    Aber zurück zur Wirtin in Slowenien. Kürzlich, wir waren in Kärnten unterwegs, machten wir einen Abstecher in das kleine Dorf, um nach ihr zu sehen – irgendwie hatten wir sie ins Herz geschlossen. Obwohl sie es leider aufgegeben hatte zu kochen und ihre Tochter nun die Betten bezog, wollte sie die Pension unbedingt noch zwanzig Jahre lang betreiben. Sie habe zwei neue Kniegelenke

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