Die Wanderhure
jetzt nicht, wo Eure Niederkunft kurz bevorsteht.«
»Jetzt hoffe ich wirklich, dass es ein Junge wird. Sonst wäre mein Gemahl doch arg enttäuscht.« Frau Mechthild seufzte und bat Marie und Giso, sie zu entschuldigen.
Als sie schwerfällig und ungewöhnlich niedergedrückt den Saal verließ, sah Marie ihr besorgt nach, bis sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte. Dann wandte sie sich noch einmal an Giso, der gerade seinen dritten Würzwein leerte. »Hast du auch etwas über die anderen erfahren, die ich dir nannte? Zum Beispiel, was aus unserer Haushälterin Wina und den beiden Mägden Elsa und Anne geworden ist?«
»Die alte Wina arbeitet jetzt bei deinem Verwandten Mombert. Die Mägde haben sich ebenfalls einen neuen Dienst gesucht, eine in Konstanz und eine in Meersburg. In Rupperts Haus gibt es keinen Dienstboten mehr aus der Zeit deines Vaters.«
»Was ist aus Linhard Merk, dem Schreiber, geworden?« Marie spie den Namen aus, als sei ihr etwas Ekelhaftes zwischen die Zähne geraten.
»Linhard ist einige Monate nach deiner Vertreibung als Bruder Josephus in das Schottenkloster zu Konstanz eingetreten.«
Marie lachte bitter auf. »Ein Mörder und Frauenschänder trägt die Kutte eines Mönchs. So einem Menschen vertrauen sich die braven Bürger an und glauben, sie kämen mit seiner Hilfe schneller ins Himmelreich. Was ist mit seinen beiden Spießgesellen?«
Giso rieb sich mit dem Finger die Nase und dachte kurz nach. »Hunold gehört immer noch den Stadtbütteln an, und Utz zieht als Fuhrmann und Führer von Handelszügen durch die Welt und genießt das Vertrauen der Konstanzer Kaufleute.«
»Den beiden hat ihre Schandtat also nichts eingebracht. Ich hätte erwartet, dass Ruppert zumindest Utz reich belohnt. Was ist mit der Witwe Euphemia?«
»Für die hat sich der Verrat an dir noch weniger ausgezahlt, denn man hat sie drei Monate nach deinem Prozess tot in ihrem Bettgefunden. Das Eigenartige dabei ist, dass sie gesund war und kurz vorher noch damit geprahlt hatte, bald sehr reich zu sein.«
»Vielleicht wollte sie Ruppert erpressen und wurde von ihm oder seinen Handlangern umgebracht.« Marie empfand nur wenig Genugtuung. Sie konnte nur vermuten, dass Euphemia ihre gerechte Strafe erhalten hatte, und hoffen, dass die Frau tatsächlich jene Höllenqualen würde erdulden müssen, die die Kirche Meineidigen androhte.
Sie fragte Giso noch nach ihren Verwandten, doch er konnte ihr nur berichten, dass Meister Mombert und seine Familie in Trauer gingen, weil der ersehnte Sohn zwar geboren worden sei, aber die Welt gleich wieder verlassen habe. Marie versuchte, sich an Momberts Tochter Hedwig zu erinnern, doch es gelang ihr nicht. Während Giso noch das eine oder andere von seiner Reise erzählte und seinerseits nach Hiltrud fragte, kam Marie der Wirtssohn Michel in den Sinn. Sie wollte schon nach ihm fragen, doch da sie Giso nicht gebeten hatte, auch nach ihm zu forschen, ließ sie es sein. Sie bedankte sich bei Giso und versprach ihm, Hiltrud seine Ankunft mitzuteilen.
VIII.
E s war, als wäre Gisos Rückkehr der Auftakt zu einer Reihe weiterer Ereignisse, die die Bewohner der Burg in Atem hielten. Die Sonne stand noch im Zenit, da meldete der Türmer einen Reiter, der trotz der verschneiten Wege sein Pferd immer wieder zum gestreckten Galopp antrieb. Auf dem vereisten Hangweg glitt das Tier mehrmals aus. Der Reiter dachte jedoch nicht daran, abzusteigen und es zu führen, sondern brachte es mit Peitsche und Sporen wieder auf die Beine.
Giso ließ das Tor öffnen und ging dem Mann entgegen, um ihm wegen seiner Pferdeschinderei ein paar deutliche Worte zu sagen.Er kam jedoch nicht dazu, denn der Reiter fiel aus dem Sattel, so dass er ihn gerade noch auffangen konnte. Eiskristalle hingen an seinen Augenbrauen, und er zitterte so, dass er kaum sprechen konnte.
»Ich muss zu Ritter Dietmar. Es ist wichtig.«
»Das ist doch Philipp von Steinzell!«, rief einer der Torwächter überrascht.
Jetzt erst erkannte Giso den Junker und fragte sich, welch neues Unglück er verkünden würde. Er packte den unverhofften Gast unter den Achseln und schleppte ihn auf den Wohnturm zu. Unterwegs fiel ihm das Pferd ein. Er drehte sich um und sah das völlig erschöpfte Tier mit zerkratzten Beinen und blutenden Flanken zitternd unter dem Torbogen stehen.
»Bringt den Gaul in den Stall und ruft den Ziegenhirten. Er soll dem Tier Kräuterumschläge machen und es gesund pflegen.«
Giso trug den jungen Steinzeller trotz
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