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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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war, dass er Packpferde mitnahm, als ginge es auf eine längere Reise. Marie erfuhr, dass er den Mann aufsuchen sollte, den der Burgherr als Paten für seinen Sohn zu gewinnen trachtete. Wer das war, wusste jedoch niemand zu sagen, denn Dietmar hatte es noch nicht einmal seiner Frau mitgeteilt, die vor Neugier beinahe verging.
    Marie interessierte sich weniger für den Taufpaten als für den Verbleib von Bruder Jodokus. Sie wollte dem Mann, den sie jetzt, wo sie ihm dankbar sein musste, noch mehr verabscheute, nicht in einer dunklen Ecke in die Arme laufen. Als sie auf leisen Sohlen an der Burgkapelle vorbeischlich, in der er für das Wohl der Herrin und ihres Sohnes eine Messe hätte abhalten müssen, wunderte sie sich, wie still es dort drinnen war. So warf sie einen Blick hinein. Zum Dank für die glückliche Geburt des Stammhalters hätten drei Kerzen zu Ehren der Dreifaltigkeit auf dem Altar und eine vor dem Marienstandbild brennen sollen, dochnur die fast waagerecht einfallenden Sonnenstrahlen erhellten das bemalte Gewölbe. Das machte Marie stutzig.
    Eine der Leibmägde erzählte ihr, dass Jodokus nicht bei der Herrin erschienen war, um ihr zu gratulieren, und er ließ sich auch nicht in der Halle blicken, in der Ritter Dietmar seine Gefolgsleute zusammenrief, um mit ihnen die Geburt seines Erben zu feiern. Seltsamerweise war auch Philipp von Steinzell wie vom Erdboden verschluckt. Marie erfuhr, dass der Junker die Burg schon am späten Nachmittag des Vortags wieder verlassen hatte, um zu seinem Vater zurückzukehren. Mit einem Mal kam ihr der Gedanke, Philipp könne den Mönch aus Wut darüber, dass er ihr geholfen hatte, erschlagen haben, und empfand Gewissensbisse. Als Jodokus auch nicht zum Abendessen erschien, machte sie Guda auf sein Fehlen aufmerksam.
    Die Beschließerin schien sich wenig für den Mönch zu interessieren. »Bruder Jodokus ist ein alter Stubenhocker. Der rutscht lieber in seiner Kammer auf den Knien und kasteit sich, als eine Messe zu lesen. Ehrlich gesagt, mir ist es recht, wenn er uns nicht über den Weg läuft. Ich mag nicht, wie er sich an einen heranschleicht. Und dir gebe ich den Rat, dich von ihm fern zu halten, denn ich traue dem Mann nicht über den Weg.«
    Guda betonte das Wort Mann so stark, als wüsste sie von der Leidenschaft des Mönchs für die Hure. Marie gab sich mit dieser Auskunft zufrieden. Als sie später Hiltrud nach Jodokus fragte, zog diese sie auf. »Vermisst du deinen Verehrer? Ich dachte, du hättest für zweibeinige Ziegenböcke nichts übrig?«
    Aber nachdem Marie ihr den Zwischenfall mit Philipp von Steinzell und dem Mönch berichtet hatte, war ihrer Freundin der Spott vergangen. »Halt lieber den Mund, wenn du keinen Ärger haben willst. Die Gunst der Mächtigen ist ein wankelmütiges Ding, und wer weiß, wie die Burgherrin das Ganze auffasst.«
    Am Abend des folgenden Tages war Jodokus immer noch nicht aufgetaucht, und Ritter Dietmar begann sich um ihn zu sorgen.Er ordnete eine Suchaktion innerhalb der Mauern an, die jedoch erfolglos blieb. Schließlich schickte er Knechte mit Fackeln aus, die die Umgebung absuchen sollten, denn er nahm an, dass der Mönch bei einem Spaziergang verunglückt war. Allerdings bestand bei der Kälte kaum Hoffnung, Jodokus lebend aufzufinden. Doch auch jetzt fand man keine Spur von ihm. Das Verschwinden des Mönchs blieb ein Geheimnis, das niemand auf Burg Arnstein lösen konnte.
    Schon in den nächsten Tagen erschienen Hartmut von Treilenburg und Abt Adalwig von St. Ottilien persönlich, um den Ritter und seine Gemahlin zu beglückwünschen, und sie versprachen, sich pünktlich zur Taufe wieder einzustellen. Als Giso nach einer guten Woche zurückkehrte und seinem Herrn ein mehrfach gesiegeltes Schreiben überreichte, fiel die Sorge von dem Gesicht des Burgherrn ab, und es glänzte voller Stolz. Dietmar befahl seinen Leuten, ein großes Fest vorzubereiten, und eilte danach in die Kammer seiner Frau, die mit jedem Tag kräftiger wurde, um ihr die gute Nachricht zu verkünden.
    Marie war ihrer Aufgabe, wegen der man sie auf die Burg geholt hatte, schneller ledig, als sie erwartet hatte. Nach der Geburt seines Sohnes weigerte sich der Ritter energisch, sich der schönen Hure zu bedienen, und wartete lieber sehnsüchtig auf den Tag, an dem Frau Mechthild wieder sein Bett mit ihm teilen konnte. Marie war ihm deswegen nicht böse, zumal es für sie und Hiltrud genug zu tun gab. Guda benötigte jede Hand, um das Tauffest

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