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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Burg Arnstein auf, und nicht wenige behaupteten, er wäre nur deswegen so lange geblieben, weil ihm eine ausnehmend hübsche Frau die Nächte versüßt hatte. Als er die Burg verließ, steckte er Marie zum Abschied mehrere goldene Münzen mit dem springenden Hirsch von Württemberg in den Ausschnitt und küsste sie vor aller Augen. Dann ritt er in den Winter hinaus, der seinen Griff immer noch nicht gelockert hatte, und ließ erleichterte und zufriedene Gastgeber zurück.

VIERTER TEIL
     
Gefährliche Wanderschaft

I.
    W illst du es dir nicht doch noch überlegen, Marie?« Frau Mechthilds Stimme klang jetzt verärgert.
    Marie biss sich auf die Lippen und schüttelte den Kopf.
    »Ich will dir doch nur helfen, du störrisches Ding«, fuhr Frau Mechthild fort. »Eine Heirat mit einem unserer Bauern würde dich zu einer ehrlichen Frau machen. Und mehr noch: Da du frei geboren wurdest, bin ich bereit, dir Brief und Siegel zu geben, dass deine Kinder ebenfalls keine Leibeigenen sein werden. Ich habe mit meinem Gemahl darüber gesprochen. Er ist bereit, dir und deinen Nachkommen einen Hof in der Herrschaft Thalfingen als Eigentum zu überlassen.«
    Marie klopfte das Herz bis zum Hals, und etwas in ihr beschwor sie, das großzügige Geschenk anzunehmen. Die Aussicht, Freibäuerin auf einem eigenen Hof zu werden, war genau das, wovon Anne und Elsa, die beiden Mägde ihres Vaters, damals in Konstanz geträumt hatten. Es war kein leichtes Leben, denn die Frau eines Bauern musste ebenso hart zugreifen wie ihr Mann, und Marie war sich bewusst, dass sie das meiste von dem, was einem Mädchen auf dem Land schon von Kindesbeinen an beigebracht wurde, erst würde lernen müssen. Aber mit der Hilfe eines liebevollen Mannes würde sie es schaffen.
    Doch wenn sie zusagte, wäre sie für den Rest ihres Lebens an einen Fleck Land gebunden, den sie höchstens dann einmal für kurze Zeit verlassen durfte, wenn sie den Markt im nächsten größeren Ort besuchte oder auf eine Wallfahrt ging. Sie würde irgendwo am Neckar leben, weit weg von Konstanz und von Ruppert,ohne jede Chance, sich an dem Magister und seinen Handlangern zu rächen. Dort wäre sie für den verräterischen Advokaten genauso aus der Welt, wie wenn sie damals an der Auspeitschung gestorben oder vor Scham ins Wasser gegangen wäre. Nein, sie durfte jetzt nicht schwach werden und das Geschenk annehmen, sonst würde sie für den Rest ihres Lebens keinen Seelenfrieden mehr finden.
    Sie holte tief Luft und formulierte ihre Antwort sehr vorsichtig, um Frau Mechthild nicht noch mehr zu verärgern. »Euer Angebot ist mehr als großzügig. Ich bin jedoch keine Bäuerin und könnte den Hof niemals richtig bewirtschaften, denn ich bin als Tochter eines Handelsherrn aufgewachsen und nie auf dem Land gewesen.«
    Frau Mechthild lachte auf. »Du weißt nicht, was du sagst. Glaubst du, es würde sich dir noch einmal die Chance bieten, dem Schmutz der Straße zu entkommen? Einen Ort zu finden, wo du durch ein braves, gottgefälliges Leben und fleißiges Gebet dein Seelenheil retten kannst? Nein, Mädchen, wenn du von hier weggehst, wirst du in der Gosse bleiben, in die dich der Halbbruder unseres Feindes gestoßen hat, und bis zu deinem bitteren Ende heimatlos über die Straßen ziehen.«
    Marie sah durch das Fenster der Kemenate auf den Hof, wo Hiltrud mit Thomas’ Hilfe ihre widerspenstig gewordenen Ziegen vor den kleinen Wagen spannte. Die drei Zicklein, die vor zwei Monaten geboren worden waren, wollten sich überhaupt nicht anbinden lassen. Marie dachte, dass Hiltrud als Landkind glücklich wäre, wenn sie auf einem Bauernhof leben dürfte. Für einen Augenblick erwog sie, die Herrin zu bitten, Hiltrud und Thomas die Heirat zu erlauben und ihnen den Hof zu geben. Aber wenn die Burgherrin darauf einging, würde sie allein weiterziehen müssen, und davor hatte sie Angst. Daher schluckte sie die Frage hinunter und verachtete sich gleichzeitig wegen ihrer Eigensucht, die keine Rücksicht auf die Freundin nahm, die ihr das Leben gerettethatte. Sie kämpfte gegen die Tränen an, die in ihr aufstiegen, und warf den Kopf in den Nacken.
    »Ich bin mir bewusst, was ich hier ausschlage, Herrin. Aber es gibt keinen Ort auf dieser Welt, an dem ich meinen Seelenfrieden finden könnte …« … solange Ruppertus Splendidus noch lebt, hatte sie sagen wollen, doch sie biss sich rechtzeitig auf die Lippen. Ihr Wunsch nach Rache ging Frau Mechthild nichts an. Daher räusperte sie sich und knickste vor

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