Die Wanderhure
dürfen.«
Während Hiltrud eifrig zustimmte, verzog Marie das Gesicht. Berta war nicht gerade die Gesellschaft, die sie sich gewünscht hätte. Allerdings war es immer noch besser als der Anschluss an eine Gauklertruppe oder einen von bewaffneten Knechten begleiteten Handelszug, bei dem sie Abend für Abend dem Anführer ihren Körper zur Verfügung stellen mussten. Sie tröstete sich damit, dass sie von Gerlind noch einiges über Kräuter und ihre Wirkung würde lernen können, und sie war auch neugierig auf das Mädchen, welches die alte Hure als Magd gewonnen hatte.
Die Ankunft zweier neuer Huren, zumal einer so hübschen wie Marie, zog die Männer an wie Kerzenlicht die Motten. Einige der Mönche, die herbeigelaufen waren und sie anstarrten, trugen sogar noch das Chorkleid. Körperliche Lust war ihnen wohl wichtiger als die Ehre Gottes und die Seelen der Wallfahrer, denn sie hatten ganz offensichtlich die frommen Sänger im Stich gelassen, deren lateinische Lieder vom Kirchlein herüberschallten. Einer von ihnen sprach Marie an, während sie noch damit beschäftigt war, ihrem Zelt mit kräftigen Leinen mehr Halt zu geben.
»Willkommen in St. Marien am Stein, meine Tochter. Du erwirbst dir großes Seelenheil und die Vergebung der Sünden, wenn du mir demütig und zu meiner Zufriedenheit dienst.«
Marie hielt kurz inne und musterte den Mönch mit spöttischer Miene. »Demütig heißt wohl umsonst, doch das ist nur der Tod, und selbst der kostet das Leben.«
Der Mönch gab nicht so schnell auf, sondern verstärkte den salbungsvollen Tonfall seiner Stimme. »Sei nicht so hoffärtig, meine Tochter. Wenn du einst zum Himmelstor kommst, wird der himmlische Wächter dich an deine Sünden erinnern und dir den Weg ins Fegefeuer weisen. Doch wenn du uns frommen Brüdern dienst, werden den Knechten des Satans die Hände gebunden sein, so dass sie nur ein kleines Feuer entzünden können, welches deine Haut höchstens wie ein warmes Bad umspielt.«
Marie schnupperte kurz und lachte. »Du hast selbst ein warmesBad nötig, Bruder. Gott hat mich mit einer zu empfindsamen Nase geschaffen, als dass ich dir dienen könnte.«
Der Mönch starrte sie vergrätzt an. »Du wirst noch an mich denken, wenn du an der Pforte der Hölle stehst und die Dämonen des Höllenfürsten dich mit widerhakenbesetzten Gliedern aus Eisen empfangen, mit denen sie tagtäglich deinen Unterleib zerreißen werden.«
Als Marie sich schulterzuckend abwandte, spuckte er vor ihr aus und sprach Hiltrud an. Zu Maries Verwunderung nickte ihre Freundin und ließ ihn in ihr Zelt, obwohl dessen Pflöcke erst zu einem Teil eingeschlagen waren. Warum ausgerechnet Hiltrud, die ihr beigebracht hatte, auf die Sauberkeit ihrer Freier zu achten, diesen stinkenden Mönch an sich heranließ, war ihr ein Rätsel. Sie konnte jedoch nicht lange darüber nachdenken, denn die Schar der Männer vor ihrem Zelt wuchs immer mehr an.
Marie schätzte die Freier ab und spürte einen Klumpen im Magen. Nach der Geburt seines Sohnes hatte Ritter Dietmar sich geweigert, sie auch nur anzusehen, so dass sie seit dem Abschied des Württemberger Grafen sich keinem Mann mehr hatte hingeben müssen. Jetzt erst begriff sie, wie schön es gewesen war, wieder Herrin ihrer selbst zu sein. Am liebsten hätte sie sich in ihr Zelt verkrochen und es von innen zugebunden, doch sie konnte es sich auf die Dauer nicht leisten, Freier abzuweisen, und je länger sie wartete, desto schwerer würde es ihr fallen, ihr Gewerbe wieder aufzunehmen.
Ein Mann in der Kleidung eines wohlhabenden Bauern schob sich nach vorne und taxierte sie. »Nenn mir deinen Preis, Mädchen!«
»Fünf Schillinge«, antwortete Marie, der seine aufgeblasene Miene nicht gefiel. Der Bauer stutzte kurz und winkte verächtlich ab.
»Zu zwölf guten Pfennigen das Stück? Du bist wohl unten herum aus Gold gemacht, dass du so viel forderst.«
Marie wies auf Bertas Zelt, das sie an seinen Flecken erkannthatte. »Wenn du eine Pfennighure suchst, findest du sie dort hinten. Ich gewähre meine Gunst nur Männern, die es sich leisten können.«
Sie hatte damit die Lacher auf ihrer Seite. Der Bauer schnaubte wütend und zog mit einer bösen Bemerkung ab. Er ging jedoch nicht zu Bertas Zelt, sondern wandte sich Hiltrud zu. Diese hatte den Mönch bereits verabschiedet und kam dem Bauern hüftschwingend entgegen. Sie wurden bereits nach wenigen Worten handelseinig und verschwanden zusammen im Zelt.
»Fünf Schillinge verlangst du? Ich
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