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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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kamen, waren sie sichtlich froh, als sie das Fehlen des Meisters bemerkten.
    Wilmar deutete auf den hinteren Teil der Werkstatt. »Macht, dass ihr an die Arbeit kommt! Das Holz schnitzt sich nicht von selbst.«
    Die drei hatten schon am Vortag den Auftrag bekommen, Fassdauben grob zurechtzuschneiden, waren aber nicht so weit gekommen, wie der Meister es erwartet hatte. Während Isidor und Adolar, die beiden jüngeren Lehrlinge, mit sichtbar schlechtem Gewissen in den hinteren Teil der Werkstatt eilten und ihr Werkzeug zur Hand nahmen, blieb Melcher, der Wilmar im Alter nur drei Jahre nachstand, mit verächtlicher Miene an der Tür stehen.
    »Ich denke nicht daran, weiter solche Hilfsarbeiten zu machen. Entweder bringt Meister Mombert mir das Fassbinderhandwerk richtig bei, oder mein Vater wird mich zu einem besseren Meister schicken. Jörg Wölfling würde mich sicher gerne nehmen.«
    Wilmar zog die Augenbrauen zusammen und schob den Unterkiefer vor. »Wenn dir die Arbeit bei Meister Mombert nicht passt, ist es wirklich besser, wenn du in andere Dienste trittst. Nur bezweifle ich, dass du bei Meister Jörg etwas anderes zu tun bekommst als hier. Wegen der vielen hohen Herren und ihrer Begleitung steht so viel Arbeit an, dass jeder von uns nach Kräftenschaffen muss. Zetern und Maulaffen feilhalten kannst du zu Hause.«
    Wilmar wandte dem Lehrling den Rücken zu, nahm die schmalen Bretter, die Adolar und Isidor bereits gespalten hatten, spannte sie in die Werkbank und schnitzte sie mit dem scharfen Zugmesser zurecht.
    Melcher blieb zunächst mit geballten Fäusten am Eingang stehen, ging dann aber vor sich hin brummend nach hinten.
    »Ich werde es dem Meister sagen, dass du Hedwig nachstellst«, zischte er Wilmar im Vorbeigehen zu und duckte sich sofort.
    Der Geselle war schneller als er und schlug so hart zu, dass das Klatschen im ganzen Haus zu hören war. Isidor und Adolar steckten grinsend die Köpfe zusammen. Sie gönnten Melcher die Ohrfeige, denn er führte sich als Ältester unter ihnen auf, als sei er der Meister.

IV.
    M ombert Flühi wollte eben zum Paradiesertor abbiegen, als die Stimme seiner Tochter hinter ihm aufklang.
    »Vater, wo willst du hin?«
    Mombert wirbelte trotz seines stattlichen Bauches herum, sah Hedwig am Arm eines Offiziers die Gasse von St. Stephan heraufkommen und schnappte wütend nach Luft. Nie hätte er gedacht, dass seine Tochter allen Klatschbasen von Konstanz Gelegenheit geben würde, sich das Maul über sie zu zerreißen. Wenn Hedwig in den Ruf eines Soldatenliebchens kam, verspielte sie jede Aussicht auf eine gute Heirat.
    »Wo warst du? Sag mal, schämst du dich nicht, mit einem Wildfremden herumzuflanieren – und dazu auch noch mit einem Kriegsmann?«, fuhr er sie an.
    Hedwig zuckte unter diesen scharfen Worten zusammen. IhrBegleiter hob jedoch beruhigend die Hand. »Gott zum Gruß, Meister Mombert. Ich freue mich sehr, Euch wiederzusehen.«
    Hedwigs Vater starrte den Mann an und kratzte sich an der Schläfe. »Sollte ich dich kennen?«
    Michel packte ihn lachend bei den Schultern.
    »Aber Meister Mombert, habt Ihr so ein schlechtes Gedächtnis? Ich bin der Michel aus der Adlerschenke in der Katzgasse.«
    »Einer der Brüder des jetzigen Schankwirts?« Momberts Stimme klang um keinen Deut freundlicher. Doch dann riss er die Augen auf und nahm die Wangen seines Gegenübers in beide Hände. »Tatsächlich, du bist der kleine Michel, der vor fünf Jahren verschwunden ist. Ja, ist das eine Überraschung.«
    »Ja, ich bin der Michel, der deiner Nichte gefolgt ist und vergeblich nach ihr gesucht hat.« Ein Schatten huschte über Michels Gesicht.
    Mombert fasste Michels Hände und drückte sie fest. »Junge, wo hast du denn so lange gesteckt? Und was machst du bei den Soldaten? Das ist doch kein Handwerk für einen braven Burschen wie dich.«
    Michel wehrte seinen Überschwang ab. »Ich glaube, das sollte ich dir besser in deinem Haus bei einem Becher Wein erzählen, und nicht hier auf der Gasse, wo einen die Leute anrempeln.«
    Mombert schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Recht hast du. Komm mit! Ich bin begierig darauf, zu hören, was du in den letzten fünf Jahren so alles getrieben hast.«
    Er fasste Michel unter und zog ihn mit sich. Nach ein paar Schritten wandte er sich an Hedwig: »Wie gut, dass du Michel erkannt und mitgebracht hast. Ich wäre an ihm vorbeigelaufen wie an einem Fremden.«
    Hedwig senkte beschämt den Kopf. »Ich habe Michel nicht erkannt,

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