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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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wie er es sich nur wünschen konnte. Dennoch oder gerade deswegen empfand er keine Freude an dem Geschlechtsakt.
    Da sie ihm keinerlei Beachtung schenkte, reagierte er sich bei ihr ab und glitt von ihr herunter, kaum dass er richtig fertig war. Sie schien zu erwarten, dass er aufstand, sich anzog und ging, doch den Gefallen wollte er ihr nicht tun.
    Er legte sich neben sie und zog sie an sich, um ihren warmen Körper zu spüren.
    »Das war nicht schön von dir, Marie. Schließlich sind wir zwei doch Freunde.«
    »Ich habe stillgehalten, wie es sich für eine Hure gehört. Was willst du mehr?«
    Michel sagte sich, dass er es falsch angefangen hatte. Er hätte zuerst ihr Vertrauen erwerben und an die alte Freundschaft anknüpfen müssen, bevor er mit ihr schlief. So aber hatte er wie jeder beliebige Freier gehandelt, der bis zur Erfüllung seines Triebs an ihrem Körper interessiert war. Nun musste er versuchen, den schlechten Eindruck zu verwischen. Er versuchte es mit einem Kompliment.
    »Du bist noch viel schöner, als ich dich in Erinnerung habe. Deine Base Hedwig sieht dir sehr ähnlich, doch sie kann dir das Wasser nicht reichen.«
    Marie zuckte mit den Schultern und verdrehte ihre Augen, als hielte sie ihn für einen schwatzhaften Langweiler. »Du kannst eine wohlfeile Hure nicht mit einer braven Bürgerstochter vergleichen. Die Reinheit und Unschuld eines sittsamen Mädchens verleihen ihr den wahren Liebreiz.«
    Michel richtete sich auf, betrachtete Maries madonnenhaftes Gesicht, auf dem ihr Beruf noch keine Spuren hinterlassen hatte, und begann prustend zu lachen. »Sag mal, wann hast du zuletzt in den Spiegel geschaut? Die meisten Bürgerstöchterlein würden dich um dein Aussehen beneiden. Bei Gott, du gleichst der verkörperten Jungfräulichkeit! Und gerade du müsstest wissen, dass die meisten Männer nicht an sittsamen und – mit Verlaub gesagt – langweiligen Frauenzimmern interessiert sind.«
    »Für das Ehebett schon, denn für ihr Vergnügen haben sie ja meinesgleichen.«
    Michel fasste sie an der Schulter und drehte sie herum. »Komm, lass uns wie vernünftige Menschen miteinander reden. Ich würde gerne erfahren, was damals wirklich vorgefallen ist. Mombert hat angedeutet, dass dir himmelschreiendes Unrecht zugefügtworden ist, doch als ich nachfragte, ist er mir ausgewichen und meinte nur, man solle die Toten ruhen lassen. Ich glaube, er hatte Angst, ich könne etwas verlauten lassen, was ihn erneut in Schwierigkeiten brächte. Ich habe damals nur mitbekommen, dass man dich auf dem Marktplatz ausgepeitscht und aus der Stadt vertrieben hat, und bin dir am gleichen Tag gefolgt, um dich zu retten. Glaubst du nicht, ich hätte ein Anrecht darauf, die Wahrheit zu erfahren?«
    Für einen Herzschlag oder zwei überlegte Marie, ob sie ihm alles erzählen sollte. Es wäre schön gewesen, sich einem alten Freund anzuvertrauen, der sie wahrscheinlich besser verstehen würde als Hiltrud, denn die betrachtete alles von dem fatalistischen Standpunkt einer Frau aus, die man schon als Kind zur Hure gemacht hatte. Dann dachte sie daran, wie er sie erpresst hatte, um ihren Körper benutzen zu können, und schüttelte den Kopf.
    »Was kann ich dafür, dass du mir kopflos hinterhergerannt bist, ohne mich zu finden? Geh doch zum Teufel, Mann, und lass mich in Ruhe.«
    »Du bist das gleiche störrische Ding geblieben wie damals, als du nicht mehr mit mir gesprochen hast, weil ich dir keine Kirschen von fremden Bäumen pflücken wollte. Verstehst du denn nicht, dass ich es gut mit dir meine?«
    Marie bleckte die Zähne. »Wenn du es gut mit mir meinst, dann gib mir die acht Schillinge, die ich meinen anderen Kunden wert bin.«
    Michel ließ sie los, stand auf und griff nach seiner Kleidung. »Ich hatte gehofft, eine alte Freundin wiedergefunden zu haben. Aber ich bin doch nur einer habgierigen Metze gefolgt.« Noch während er es sagte, bedauerte er seine voreiligen Worte.
    Marie setzte sich mit gekreuzten Beinen aufs Bett und streckte fordernd die Hand aus. Michel juckte es in den Fingern, sie für ihre verächtliche Miene zu bestrafen. Doch gleichzeitig wäre er am liebsten vor ihr niedergekniet, um sie um Verzeihung zu bitten. ImWiderstreit seiner Gefühle reagierte er wieder nicht so, wie er es eigentlich wollte. Er schnürte seinen Beutel auf, nahm Münzen im Wert von acht Schillingen heraus und warf sie aufs Bett. »Hier hast du deinen Lohn, auch wenn du so viel nicht wert warst.«
    Marie packte den

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