Die Wanderhure
kleidete, die sich sonst nur reiche Bürgersfrauen und Adelsdamen leisten konnten, und er geizte auch nicht mit Schmuck.
Nina bewunderte Madeleine und machte keinen Hehl daraus, dass sie neidisch war. »Ich wäre auch gerne Amante von hohen Herren aus der Toskana, meiner Heimat«, bekannte sie sehnsüchtig.
Helma kratzte sich am Kopf. »Hast du nicht gesagt, du kämest aus Neapel?«
»Für Freier stamme ich aus der Toskana. Kurtisanen von dort können mehr verlangen als andere.« Nina kicherte darüber wie über einen guten Scherz.
»Männer sind doch eigentlich leicht zu täuschen, aber schwer zu halten«, warf Kordula seufzend ein. »Ich wäre schon zufrieden, wenn unter meinen Freiern ein Herr wäre, der mich für einen ganzen Abend haben will. Das wäre nicht so anstrengend, undich könnte darauf hoffen, das eine oder andere Geschenk zu erhalten.«
Helma nickte eifrig. »Ja, das würde mir auch gefallen. Aber wir können froh sein, dass wir immer noch genug Kunden finden. Viele der hohen Herren, besonders die Kirchenmänner, lassen sich kaum noch bei uns sehen, sondern sind hinter Bürgermädchen her.«
»Ausgerechnet die Mönche und Pfaffen, die ständig die Gefahren von Unzucht und Wollust im Munde führen, stellen der Unschuld nach.« Madeleines Stimme klang böse, und auch die beiden Huren, die bisher still im Hintergrund geblieben waren, machten nun ihrem Ärger Luft.
»Es sind nicht nur Bürgermädchen, die die Männer von uns fern halten«, erklärte die ältere von ihnen. »Viele Konstanzer Mägde liegen lieber unter geilen Böcken, als ihren Pflichten nachzugehen. Dabei machen sie ihre Beine für zwei, drei Heller breit und verderben uns damit die Preise.«
»Was willst du dagegen tun? Den Männern sitzt das Geld halt nicht mehr so locker im Beutel wie in den ersten Wochen.« Hiltrud zuckte verächtlich mit den Schultern, konnte aber ihre Besorgnis nicht ganz verbergen. »Aber du hast Recht. In der letzten Zeit treiben es die so genannten ehrbaren Weiber beinahe wilder als die Pfennighuren. Wenn das so weitergeht, ist Konstanz noch vor dem Ende des Konzils ein einziges Hurenhaus, und wir, die wir auf unseren Verdienst angewiesen sind, werden verhungern, weil uns die Frauen und Mägde der Stadt die Freier wegnehmen.«
Die jüngere Hure nickte eifrig. »Ich frage mich auch, was geschieht, wenn das Konzil zu Ende ist. Wenn all die Dienstmägde, die sich jetzt hier verkaufen, aus der Stadt gejagt werden und über die Märkte ziehen müssen, gibt es dort mehr Huren als Freier.« Kordula stand auf und spuckte ärgerlich ins Feuer. »Der Teufel soll all diese ehrbaren Weiber holen, die sich sonst immer so überuns erheben und es doch nicht erwarten können, bis ein Kerl sie unter den Röcken besucht. So, meine Lieben, es wird wieder Zeit zu arbeiten.«
Als die Frauen gegangen waren und Kordula ihren ersten Freier empfing, blieb Marie zur Freude einiger Gaffer nachdenklich auf der Türschwelle stehen. Manchmal waren die häufigen Besuche anderer Huren schon recht lästig, aber andererseits erfuhr sie von ihnen, was in der Stadt vorging.
In den Bordellen gab es keine Möglichkeit, unbelauscht miteinander zu sprechen, und auch sonst existierte kein anderer Ort, an dem sie ungestört blieben. In Maries Nest, wie sie das Häuschen nannten, konnten sie ihre Erfahrungen mit geldgierigen Hurenwirten und preistreiberischen Kaufleuten austauschen und über Gegenmaßnahmen beraten. Marie fühlte sich bei diesen Gesprächen oft an jenen Ausspruch Hiltruds erinnert, dass Huren zwar schwach, aber nicht wehrlos seien. Mancher Hurenwirt wunderte sich nun, dass seine Mädchen stillschweigend in andere Bordelle abwanderten, und der ein oder andere Kaufmann musste zusehen, wie seine ehemaligen Kundinnen mit seinem schlimmsten Konkurrenten ins Geschäft kamen.
Obwohl Marie sich nicht in den Vordergrund gedrängt hatte, machte sie die Tatsache, dass sie die Stadt und ihre Bewohner kannte, für die anderen zu einer begehrten Ratgeberin. Allmählich war sie so populär geworden, dass sie regelrecht belagert wurde und deswegen schon Freier hatte abweisen müssen. Ihr Verlust hielt sich jedoch in Grenzen, denn die Huren bedankten sich mit kleinen Geldgeschenken, so dass Hiltrud schon spottete, Marie würde bald mehr Geld von anderen Frauen als von ihren Freiern bekommen.
Marie lachte nur darüber, wurde aber bald wieder nachdenklich. Da sie sich für alles interessierte, was Magister Ruppertus und seine Verbindungen
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