Die Wanderhure
betraf, hatte sie inzwischen erfahren, dass der fette Abt, der ihr schon bei der Fahrt über den See unangenehmaufgefallen war, ein Bürgermädchen belästigte, das ihr sehr ähnlich sah. Nach und nach reimte sie sich zusammen, dass es sich um ihre Base Hedwig handeln musste. Darüber hinaus wurde diese wohl auch noch von einem zweiten, ebenso unerwünschten Freier verfolgt, nämlich dem Junker von Steinzell, der Marie ebenfalls noch in schlechter Erinnerung war.
Ein paarmal überlegte sie, ob sie nicht doch ihren Onkel aufsuchen sollte, um ihn zu bitten, ihre Base aus Konstanz wegzubringen, denn anders würde er sie auf Dauer nicht schützen können. Dann aber sagte sie sich, dass sie sich dadurch nur unnötig in Gefahr begab. Schnell würde bekannt werden, dass sie noch lebte, und Ruppert würde einer der Ersten sein, die es erfuhren, denn er schien seine Fäden durch die ganze Stadt gesponnen zu haben. In dem Fall war es so gut wie sicher, dass er oder Utz sie als die Hure erkannten, der Jodokus seine Unterlagen anvertraut hatte, und damit wäre ihr Schicksal besiegelt.
Jedes Mal, wenn sie an diesem Punkt ihrer Überlegungen angekommen war, ärgerte Marie sich über ihre eigene Feigheit und Entschlusslosigkeit, denn bis jetzt hatte sie noch keinen Schritt gegen ihren Feind unternommen. Unterwegs, weit weg von ihrer Heimatstadt, hatte sie Pläne über Pläne geschmiedet, aber hier in Konstanz schien ihr kein einziger durchführbar. So ging sie weiter ihrem Tagesgeschäft nach und hoffte, dass das Schicksal ihr einen Faden in die Hand geben würde, aus dem sie einen Strick für ihren einstigen Bräutigam drehen konnte.
Am Morgen des dritten Tages nach ihrer Begegnung mit Michel war im Haus am Ziegelgraben nicht viel los. Kordula schlief noch, während Hiltrud ihre Kammer säuberte, die ihnen gleichzeitig als Küche diente. Marie hatte eben ein Gespräch mit zwei jungen, noch unerfahrenen Huren beendet, die mit Frauenproblemen zu ihr gekommen waren, und saß nun missmutig in der offenen Tür, um die Passanten zu mustern. Es war niemand dabei, den anzusprechen sich lohnte. Plötzlich erstarrte sie, denn esbog ein Mann um die Ecke, der sich mit Harnisch und Helm herausgeputzt hatte, als ginge er zu einer Parade. Marie brauchte nicht auf den Pfälzer Löwen auf seiner Brust zu sehen, um Michel zu erkennen. Er sah sie fast im gleichen Augenblick und winkte ihr schon von ferne fröhlich zu. Als er vor ihr stehen blieb, war er ein wenig außer Atem, so als wäre er quer durch die Stadt gerannt.
»Hallo, Marie. Schön, dich zu sehen. Mich verlangt nach einer kleinen Balgerei im Bett. War dein Preis nicht acht Schillinge? Hier sind sie – und zwei dazu, damit du es mir diesmal besonders schön machst.«
Es klang so fröhlich und munter, dass Marie ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schob ihr Kinn nach vorne. »Du bemühst dich umsonst. Ich lasse nicht jeden in mein Bett.«
Hiltrud steckte den Kopf aus ihrer Kammer. »Marie, was soll das? Der Herr ist ein Hauptmann der Wachen, und es ist sehr unklug, es sich mit diesen Leuten zu verderben.«
»Da hörst du es, Mädchen«, sagte Michel lachend. »Es wird auch dein Schaden nicht sein, denn ich zahle gutes Geld. Bei meinen Schillingen hat niemand den Rand abgezwickt.«
Es waren genug Münzen im Umlauf, denen gierige Leute die Ränder gekappt und sie damit um einen Teil ihres Wertes gebracht hatten. Als Hure musste man auf so etwas besonders achten, da viele Freier sie mit minderwertigem Geld abspeisen wollten. Auch ihr hatte man schon Schillinge untergejubelt, die ein Kaufmann zu höchstens zehn Pfennigen berechnete. Trotzdem fand sie es geschmacklos von Michel, mit seiner Ehrlichkeit zu prahlen und ihr gleichzeitig deutlich zu verstehen zu geben, dass sie nur eine käufliche Dirne war. Und dann erwartete er offenbar auch noch, dass sie dankbar war, weil er sich zu ihr herabließ. Am liebsten hätte sie ihm das Gesicht zerkratzt und ihn mit Hohn und Spott davongejagt. Doch sie musste auf Hiltrud und KordulaRücksicht nehmen. Wenn sie Michel zu sehr verärgerte, bestand die Gefahr, dass er ihr seine Soldaten ins Haus schickte. Kein Mensch würde ihnen helfen, wenn die Kerle sich hier wie die Wilden aufführten.
»Also gut. Komm mit nach oben«, forderte sie ihn nicht gerade freundlich auf und stieg vor ihm die Leiter hinauf.
Michel folgte ihr so dicht auf, dass sie seine Brust an ihrem Gesäß spürte. Oben nahm
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