Die Wanderhure
verrieten Michel viel über das, was in Maries Innerem vorging, und ihm wurde klar, dass er sie mit viel Geduld überzeugen musste. Irgendwann müsste sie begreifen, dass er kein beliebiger Freier war, sondern ihr Vertrauter und ihr Freund sein wollte. Aber wie, fragte er sich, konnte er ihr beweisen, dass er in ihr kein Stück Weiberfleisch sah, das man bezahlte, benutzte und wieder vergaß, sondern eine Frau, die es wert war, auf Händen getragen zu werden?
VIII.
M ombert Flühis Geselle Wilmar haderte wieder einmal mit Gott und der Welt. Als gäbe es nicht schon genug Probleme mit Abt Hugo und Junker Philipp von Steinzell, hatte ein missgünstigesSchicksal nun auch noch diesen Pfälzer Hauptmann nach Konstanz gespült. Während Hedwig den beiden anderen aus dem Weg ging, war Michel Adler ein auch von ihr gern gesehener Gast.
Wilmar fühlte sich von dem Auftreten des Offiziers eingeschüchtert und nahm durchaus wahr, wie der Mann Hedwig imponierte. Darüber ärgerte er sich mehr als über alles andere, denn er liebte das Mädchen und hoffte, es würde diese Liebe irgendwann einmal erwidern. Dabei ging es ihm nicht mehr in erster Linie um Meister Momberts Werkstatt, die, wie es Sitte war, einmal der Mann seiner Tochter weiterführen würde und wegen der sein Vater ihn hierher geschickt hatte.
Als dritter Sohn eines Meersburger Böttchermeisters konnte Wilmar nur dann Meister werden, wenn er die Tochter eines anderen Meisters heiratete. Dazu musste er jedoch erst einmal Mombert Flühis Vertrauen und Hedwigs Zuneigung erringen. Bevor das Konzil alles andere überschattete und nichts mehr in der Stadt so war wie vorher, hatte Hedwig ein züchtiges Interesse an ihm gezeigt, während er sich heftig in sie verliebt hatte. Jetzt aber hatten der Meister und seine Tochter ganz andere Sorgen und schenkten ihm kaum mehr als die notwendigste Beachtung. Wilmar war so in sein Grübeln eingesponnen, dass er nicht auf seine Arbeit achtete und die Fassdaube verdarb, die er einpassen sollte. Auch daran gab er diesem Michel die Schuld. Er warf den Rest zu den Holzabfällen, die für den Herd der Meisterin gedacht waren, und stand auf, um sich eine neue Daube zu holen. Dabei streifte sein Blick die Lehrlinge, und er stellte fest, dass Melcher wieder einmal fehlte. Wilmar nahm sich vor, mit seinem Meister ein ernstes Wort über den aufsässigen Jungen zu sprechen, der sich ständig vor der Arbeit drückte und den beiden Jüngeren ein schlechtes Beispiel bot. Noch während er überlegte, wo der Bursche zu finden sein könnte, öffnete sich die Tür, und der Meister trat ein.
Mombert bemerkte das Fehlen des Lehrlings sofort. »Wilmar, wo ist Melcher?«
Sein Bellen ließ Wilmar den Kopf einziehen. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er zum Abtritt gegangen.«
Die beiden jüngeren Lehrlinge sahen sich an und grinsten. Sie gönnten Melcher den Zorn des Meisters, denn seinen Andeutungen hatten sie entnommen, dass er so schnell nicht wiederkommen würde. Er hatte vor ihnen angegeben, dass er Freunde in der Stadt besaß, die ihm mehr Geld zusteckten, als sein Vater Lehrgeld für ihn bezahlt hatte. Seine Ausbildung zum Fassbinder nahm er schon lange nicht mehr ernst, und er verspottete die Jüngeren, weil sie gewillt waren, zu lernen.
Mombert schenkte den beiden einen bösen Blick und baute sich vor Wilmar auf.
»So, du weißt es nicht? Es ist deine Aufgabe, auf die Lehrbuben aufzupassen. Wenn sie dir weiter so auf der Nase herumtanzen, muss ich mich nach einem neuen Gesellen umsehen.«
Wilmar fuhr erschrocken auf.
»Ich werde sofort Melcher suchen und ihn zurückbringen, Meister.«
Mombert stieß ihn mit harter Hand auf seinen Platz zurück. »Damit mir gleich zwei Paar Hände in der Werkstatt fehlen, obwohl wir vor Arbeit nicht mehr aus noch ein wissen? Nein, du wirst heute Abend länger in der Werkstatt bleiben und das nachholen, was Melcher versäumt hat. Ihm aber werde ich eine Tracht Prügel verpassen, dass er acht Tage lang im Stehen arbeiten muss.« Mit diesen Worten trat Mombert an ein großes Fass, um die letzten Reifen aufzuziehen.
Unterdessen schlenderte Melcher durch die Gassen und kaute an einem Stück Kuchen. Dabei ließ er seine Augen umherwandern und grinste übermütig, als er Utz unter der Pergola einer Weinschenke entdeckte.
Der Fuhrmann stand auf und kam ihm mit dem Becher in derHand entgegen. »Grüß dich, Melcher. Ich hatte dich schon eher erwartet.«
»Ich kam nicht so rasch aus der Werkstatt weg, wie ich
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