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Die Wanderhure

Titel: Die Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Mädchen ohne Mutter aufwächst.«
    Sie lauschte einen Augenblick, als erwarte sie noch jemand, aber als sich draußen nichts rührte, drückte sie Marie die Beine weiter auseinander und untersuchte ihren immer noch blutenden Unterleib.Rücksichtslos befingerte sie die Wunden, bis Marie sich vor Schmerzen stöhnend aufbäumte.
    »Das ist heute Nacht geschehen«, stieß Marie zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. »Utz, der Fuhrmann, der Büttel Hunold und Linhard, unser Schreiber, sind in den Kerker gekommen und haben mich geschändet. Euphemia, du siehst doch, wie viel Blut geflossen ist. Ich war noch Jungfrau, bis die Männer über mich herfielen. Das musst du vor Gericht bezeugen.«
    Die Witwe lachte bitter auf. »Ich muss gar nichts! Dein Vater hätte so klug sein sollen, mich nach dem Tod deiner Mutter zu heiraten. Ich hätte schon dafür gesorgt, dass du als anständige Jungfer aufgewachsen wärest. Aber Matthis Schärer, dieser hochnäsige Sohn eines davongelaufenen Leibeigenen, war sich zu fein für die Witwe eines einfachen Schusters.«
    Der Schock, den die boshaften Worte in ihr auslösten, gab Marie Kraft, sich ein Stück aufzurichten und der Frau ins Gesicht zu sehen. »Was redest du da? Du siehst doch, was mit mir passiert ist. Willst du, dass die drei Männer, die mich verleumdet und so übel zugerichtet haben, ihrer gerechten Strafe entgehen?«
    »Wer hier bestraft gehört, bist du, du geile Dirne! Ich hole jetzt Wasser, damit ich dich waschen kann. Schließlich muss ich dich in einer Stunde dem Gericht präsentieren.«
    Marie versuchte, die Säure hinabzuwürgen, die aus ihrem Magen hochstieg. Aber ihre Zunge war eingetrocknet. »So bald schon? Ja, das ist gut.«
    »Über ein Hurenstück wie dich kann das Urteil nicht schnell genug gesprochen werden«, höhnte die Witwe.
    In dem Moment ging die Tür erneut auf, und Hunold kam mit einem Schaff Wasser herein. Über dem Arm trug er ein Leintuch und etwas, das wie ein härener Kittel aussah.
    Marie schrie bei seinem Anblick gellend auf, zog die Beine an und presste sie zusammen. Die Witwe hob die Hand, als wollesie sie schlagen, ließ sie aber wieder sinken. »Wenn du mir Schwierigkeiten machen willst, überlasse ich dich Hunold, damit er dich zu Tode vögelt. Der Richter wird mir glauben, wenn ich ihm erkläre, dass du dich heute Nacht aus Scham selbst umgebracht hast, weil du keine Jungfrau mehr gewesen bist.«
    Marie sah der Frau an, dass sie es ernst meinte. »Warum tust du mir das an?«
    Euphemia zuckte nur mit den Achseln, tauchte das Tuch ins Wasser und begann Marie abzureiben. Dabei ging sie nicht gerade sanft mit ihr um. Als die Witwe das an ihrem Unterleib klebende Blut abschrubbte und die Wunden dabei noch weiter aufriss, brüllte Marie ihren Schmerz hinaus. Aber sie wehrte sich nicht, denn sie klammerte sich an die Hoffnung, der Richter würde das Gespinst aus Lügen und Gewalt durchschauen, das man um sie gewoben hatte. So sah sie regungslos zu, wie die Witwe einen Streifen ihres Nachthemds auswusch und zusammengeknüllt in ihre misshandelte Scheide schob, um das immer noch heraussickernde Blut zu stillen. Als die Witwe sie von dem Ring losband, atmete sie erleichtert auf.
    Sie ließ sich auf die Beine stellen und rührte sich auch nicht, als Euphemia ihr den Armsünderkittel überzog und Hunold herbeiwinkte. »So können wir die Dirne dem hohen Gericht wohl vorführen.«
    Der Büttel fesselte Maries Arme wie am Abend zuvor auf dem Rücken und stieß sie rüde zur Tür hinaus. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen machte er sich keine Sorgen, dass das Verbrechen auf ihn zurückfallen würde. Im Gegenteil, seine Blicke waren immer noch voller Gier. Marie graute vor dem Mann, und sie fühlte, wie die Angst einen Ring um ihr Herz zog und es zusammenpresste. Wie konnte Hunold sich nur so sicher sein, seiner gerechten Strafe zu entgehen?
    Sie war so mit ihrem Elend beschäftigt, dass sie zunächst nicht wahrnahm, wohin der Büttel sie führte. Erst als sie über eine Brückegingen, wurde Marie bewusst, dass Hunold sie zu dem Dominikanerkloster auf der Insel brachte, dessen Mönche den Ruf unbarmherziger Strenge genossen.

VI.
    D ie große Halle des Inselklosters, in der der Prozess stattfinden sollte, beeindruckte jeden, der sie zum ersten Mal betrat. Die Mauern bestanden aus exakt behauenen Sandsteinquadern, deren Wucht von ungewöhnlich großen, gewebten Wandbehängen mit biblischen Szenen noch unterstrichen wurde. Schmale,

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