Die Wanderhure
die Maske der Falschheit vom Gesicht zu reißen, denn auch er lief Gefahr, sich in den fein gesponnenen Netzen zu verstricken, die der Keilburger Bastard so meisterhaft zu knüpfen verstand.
Es war zum Verzweifeln. Für einen Augenblick dachte Marie daran, ihre Unterlagen wieder an sich zu nehmen und zu versuchen, zum Kaiser selbst damit vorzudringen. Sie verwarf die Idee jedoch sofort wieder. Für eine Frau wie sie war es unmöglich, auch nur auf zehn Schritt an den Kaiser heranzukommen, und selbst wenn es ihr gelänge, würde er das Material einem der Richter in dieser Stadt übergeben, und bei denen ging ihr früherer Verlobter aus und ein. Was dann mit Jodokus’ Notizen und den von ihm gesammelten Beweisen geschehen würde, hatte der Graf ihr eben vor Augen geführt.
Am liebsten hätte sie ihren alten Plan wieder aufgegriffen, einen Meuchelmörder für Ruppert zu dingen. Doch sein Tod würdeihren Onkel nicht retten. Wie sie es auch drehte und wendete, sie war auf den Württemberger angewiesen und musste hoffen, dass der hohe Herr nicht nur seine Interessen verfolgte und die ihren als störend beiseite schob.
Graf Eberhard beobachtete Maries Mienenspiel und seufzte. Sie würde ihn hassen, wenn er nicht verhindern konnte, dass ihr Onkel als Mörder Junker Philipps verurteilt und hingerichtet wurde. Doch wenn er seine eigenen Pläne nicht gefährden wollte, durfte er nicht viel für den Böttcher tun. Dessen Schicksal war höchstwahrscheinlich selbst dann besiegelt, wenn der geflohene Lehrling wieder auftauchte und eine Aussage zugunsten seines Meisters machte.
Das durfte er Marie jedoch nicht sagen, denn zum einen hoffte er immer noch, dass er ihr wenigstens zur Rache an ihrem verräterischen Bräutigam verhelfen konnte, und zum anderen wollte er sie so lange wie möglich behalten. Eine so schöne und willige Bettgespielin fand er nicht alle Tage. Mit einer gewissen Bestürzung stellte er fest, dass Marie mehr für ihn geworden war als eine beliebige Mätresse. Das mochte auch daran liegen, dass sie ihm eine wirksame Waffe gegen den Keilburger in die Hand gegeben hatte. Es war ihr gelungen, ihn zu beeindrucken, denn bisher hatte noch keine Frau es gewagt, so freimütig mit ihm zu reden, und keine hatte ihm so viel Vertrauen geschenkt wie sie.
Während Graf Eberhard versuchte, sich auf die angenehmen Seiten seiner Beziehung zu konzentrieren, war er ans Fenster getreten. Als er sich wieder abwenden wollte, fiel ihm ein junger Offizier in pfälzischen Farben auf, den er schon einige Male in seiner Nähe hatte auftauchen sehen. Der Mann lehnte auf der anderen Straßenseite an einer Hausmauer und starrte sein Haus mit so zorniger Miene an, als würde er es am liebsten in Brand stecken. Der Württemberger drehte sich zu Marie um und winkte sie zu sich.
»Siehst du den Burschen dort? Könnte das ein Spion des Keilburgers sein?«
Marie winkte lachend ab. »Der und ein Keilburger Spion? Nein, Herr, da irrt Ihr Euch. Das ist niemand anders als Michel Adler, von dem ich Euch erzählt habe. Er ist ein alter Freund aus meiner Kinderzeit, der in die Dienste des Pfälzer Kurfürsten getreten ist.«
»Der ist das also. Na, so wie der Mann aussieht, sollte ich ihm lieber nicht in einer dunklen Ecke begegnen.« Graf Eberhard blickte Marie für einen Augenblick recht ungläubig an und begann dann lachen. »Ein Freund aus deiner Kinderzeit, sagst du? Na, wie es scheint, ist da mehr dahinter. Der Bursche sieht eher aus wie ein eifersüchtiger Liebhaber.«
Marie stimmte in sein Lachen ein. »Michel und eifersüchtig? Aber er weiß doch, dass ich hier nur meinem Beruf nachgehe. Er regt sich nie über meine Freier auf.«
»Da scheint er bei mir eine Ausnahme zu machen. Ich weiß nicht, ob ich mich geehrt fühlen soll.« Der Württemberger musterte Marie und fand, dass eine Frau wie sie in einem Mann durchaus starke Gefühle wecken konnte. Dabei erwachte sein Verlangen. Er streckte die Arme nach Marie aus und zog sie an sich.
»Komm aufs Bett, Mädchen. Ich muss bald aufbrechen und möchte es mit einem angenehmen Gefühl tun.«
Marie folgte der Aufforderung auf eine möglichst aufreizende Weise. Als sie dann unter ihm lag und ihm erneut das Gefühl gab, ein Mann wie kein Zweiter zu sein, dachte sie darüber nach, wie sie ihn doch noch dazu bringen konnte, sich ernsthaft für Mombert und dessen Frau einzusetzen.
III.
D a bist du ja endlich.« Michel löste sich von der Hauswand, die ihn mehr als drei Stunden gestützt hatte,
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