Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
gegen Eure Standeswürde.« Der Vormund der Thundorferin, den Arigund nicht kannte, nickte. Dann griff er nach dem Schwert an seiner Seite. Er steckte den Hut auf das Schwert und den goldenen Ehering auf den Schwertgriff und übergab beides dem Bräutigam.
»Hiermit übergebe ich Euch mein Mündel zu Euren Treuen und Gnaden und bitte Euch der Treue willen, mit der ich sie Euch anvertraue, dass Ihr ihr ein rechter und ein wohlwollender Vormund seid und dass ihr kein schlechter Vormund seid noch werdet. So empfangt sie und habt sie.«
Von Rechts wegen galt die Ehe nun als geschlossen. Bei der sich anschließenden Messe wurde lediglich der Segen Gottes erfleht. Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Thundorferin. Sie schien mit dem Bund mehr als zufrieden zu sein. Arigund dagegen hatte ein mulmiges Gefühl. Sie sah zu ihrem Großvater hoch, der die Stirn in tiefe Falten gezogen hatte. Behutsam zupfte sie ihn am Ärmel.
»Großvater?«
Doch dann wurde sie von einem unüberhörbaren Furzen unterbrochen, gefolgt von bestialischem Gestank. Arigund, Zandt und die anderen Gäste wandten sich indigniert um …
*
»Bella gerant alii, tu mercator nube«, kommentierte der Truchsess. Sein Sohn, der den Lateinunterricht meistens geschwänzt hatte, sah ihn verständnislos an.
Reimar von Brennberg seufzte. »Das heißt, dass unser guter DeCapella keine Schwertkämpfe bestreiten muss, um an Einfluss zu gewinnen«, erklärte er. »Er heiratet einfach die richtige Frau.«
»Aha«, meinte Wirtho mit mäßigem Interesse. »Wie lange dauert’s jetzt wohl noch bis zum Hochzeitsmahl? Ich hab ordentlich Hunger, und zwar auf mehr als nur die klägliche Bohnensuppe, die unser Koch Tag für Tag zusammenbraut. Die macht nicht satt und verursacht böse Blähungen.«
Zur Bestätigung entließ der junge Ritter einen ordentlichen Furz aus seinen Beinlingen, der sich sofort geruchvoll verteilte.
»Bist du von Sinnen!«, fauchte sein Vater und versuchte sich unauffällig Luft zuzufächeln. Auch die anderen Gäste begannen bereits die Nase zu rümpfen. Reimar bemerkte, dass der alte Zandt und seine kleinwüchsige Enkelin sich umwandten.
Wirtho jedoch grinste nur und begann sich umzusehen, als würde er selbst nach dem Übeltäter Ausschau halten. Sein Vater zog ihn am Ärmel die Stufen zur Kapelle hoch. »Komm schon!«
Sie hatten gerade den Eingang der Kirche erreicht, als der Kirchenchor einen Choral anstimmte. Zwei Diener warteten auf den Truchsess und seinen Sohn und geleiteten sie zu einem bevorzugten Platz. Erleichtert ließ sich der von Brennberg nieder.
»Untersteh dich, noch einmal die Luft zu vergiften, die ich atme!«, herrschte er Wirtho an. »Und benimm dich nachher bitte wie ein Ritter und nicht wie ein Stallbursche!«
»Das tu ich doch stets, Vater«, maulte Wirtho. »Wenn die nur bald einmal mit dem Gejaule aufhören würden. Es bereitet meinen Ohren Qual.«
Der junge Mann deutete nach oben zum Chor. Von Brennberg verdrehte die Augen. Wenngleich an einem Minnehof groß geworden, zeigte sein Sohn nicht das geringste musikalische Talent. Sogar ein Maultier traf besser den Ton. Als Vater tat von Brennberg dies in der Seele weh, weil die Sangeskunst in jedem Fall für eine höfische Karriere von Vorteil war. Auch in anderer Hinsicht ließ Wirtho mit seinen neunzehn Lenzen noch viel zu wünschen übrig. Der Truchsess versuchte seit Jahren, dem Burschen ritterliche Tugenden einzubläuen, aber so richtig fruchtete nichts. Nicht einmal vor dem Burgkaplan hatte Wirtho Respekt. Neulich hatte sich Pater Anselm beschwert, er habe den Sohn des Truchsess dabei erwischt, wie der sich das Geld der Kollekte unter den Nagel reißen wollte. Und was den Dienst an Frauen anging, wusste der Waffenmeister zu berichten, er habe den jungen Herren kürzlich mit der Tochter des Stallmeisters im Heu erwischt, wobei sich das Mädchen des zukünftigen Herren von Brennberg mit dem Reisigbesen erwehrte und ihm ein blaues Auge schlug. Zweifellos hatte der Waffenmeister dem Wein schon reichlich zugesprochen, als er die Zote zum Besten gab, und vermutlich hatte er schamlos übertrieben. Aber Wirtho hatte wenige Wochen zuvor tatsächlich ein blaues Auge gehabt – angeblich von einem Schwertkampf, bei dem das Visier nicht ordentlich geschlossen gewesen war. Reimar von Brennberg hatte seinem Sohn die Geschichte abgenommen, denn wenn man bei Wirtho ritterliche Talente suchen wollte, so entdeckte man diese am ehesten auf dem Turnierplatz. Dort konnte er,
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