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Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karolina Halbach
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zurück zum Lager, wo sie von zwei irritierten Wachknechten gestellt wurde. Die scholten das Mädchen zwar wegen des Aufruhrs, den sie verursacht habe, meinten aber, von einer Eule ginge keine größere Gefahr aus. Dann begleiteten sie die vor Angst schlotternde Kaufmannstochter zurück zum Zelt, wo sie von einer verschlafenen Burgherrin in Empfang genommen und noch einmal streng getadelt wurde. Sie dürfe sich nicht ohne Begleitung aus dem Lager entfernen! Man sehe ja, was dabei herauskäme. Sie habe alle zu Tode erschreckt, am allermeisten sich selbst. Zudem seien Eulen im Wald etwas vollkommen Normales, und was den Ruf anginge, so habe es sich gewiss um einen Waldkauz gehandelt und er habe keineswegs »Komm mit!« gesagt, sondern mit »Kuwitt« nach seinem Weibchen gerufen. Das könne man schon mal verwechseln, vor allem, wenn man die Tiere des Waldes nicht so gut kenne. Magdalena allerdings machte ein bedrücktes Gesicht und meinte leise: »Der Totenvogel hat gerufen – uns droht fürchterliches Unglück!«
    Nun war Arigunds Ruhe endgültig dahin. Den Rest der Nacht wälzte sie sich unruhig von einer Seite auf die andere.

*
    Der nächste Tag war ebenso trist und grau wie der vorherige. Immerhin hatte es aufgehört zu regnen. Doch es blieb keine Zeit, die klammen Sachen zu trocknen. Nass, wie sie waren, mussten sie verpackt und auf die Lasttiere verstaut werden. Herr Reimar drängte zum Aufbruch. Bis zur Mittagszeit wolle man das Höllbachtal hinter sich bringen, ließ er die anderen wissen. Die Männer duckten sich unter seinem Befehl. Wortkarg zogen sie die Gurte fest und bestiegen die Pferde.
    Der Weg ging weiter bergab. Mächtige Buchen schlossen die Reisenden ein. Ihre mannsdicken, moosbewachsenen Stämme ragten wie riesenhafte Säulen neben dem schlammigen Pfad auf, dem sie folgten. Hier im Wald herrschte beständiges Zwielicht. Die Baumkronen fraßen das sowieso schon spärliche Licht. Von ihren Kronen troff immer noch Wasser oder wurde in Form von Dampfwolken zum Himmel gesandt. Der Weg wurde offensichtlich selten benutzt. Mehrmals mussten sie anhalten, um Hindernisse wie querliegende Äste oder umgefallene Bäume wegzuräumen. Dann erreichten sie den als »Hölle« bezeichneten Teil des Tals, und er war genau so, wie Magdalena ihn beschrieben hatte. Es sah aus, als hätten die Geister mit gewaltigen Felsen um sich geworfen und sie einfach liegen lassen. Ein fauchender und spritzender Bach suchte sich protestierend den Weg zwischen den Steinen, staute sich gluckernd und zwängte sich Gischt sprühend schließlich durch die schmalen Lücken zwischen den Felsbrocken. Die Reisegesellschaft überquerte den Bach an einer ausgefahrenen Furt, der einzigen weit und breit. Dann folgten sie dem Lauf abwärts auf einem gefährlichen und von hohen Felsen gesäumten Weg, der oft so schmal war, dass es selbst für die Sänfte gefährlich wurde. Ein ums andere Mal mussten die Damen aussteigen und zu Fuß vorangehen.
    Es war schon fast Mittag, als sie eine Mühle erreichten, die grau und mit ächzendem Mühlrad den Bach in einen ruhigeren Lauf zwängte. Der Müller, ein dicklicher Mensch mit starken Armen und einem Gesicht, das die Farbe seines Mehls angenommen hatte, empfing sie freundlich und bot ihnen Brot und Wein. Er war ein Höriger des Eckmühlers und deshalb nur allzu bereit, den Wünschen der hohen Herren von Brennberg nachzukommen. Gestärkt setzten sie ihren Weg fort. Da diese Strecke regelmäßig von Lastkarren befahren wurde, die Getreide zur Mühle und das Mehl von dort zurücktransportierten, war der Weg nun deutlich breiter, jedoch durch den heftigen Regen tiefgründig. Die Pferde versanken zuweilen bis zum Sprunggelenk im Morast. Erschöpft erreichte die Reisegesellschaft endlich die nächste Furt, die es ihr ermöglichte, den Bach erneut zu überqueren. Eine freundliche Sonne begrüßte sie auf der gegenüberliegenden Wiese. Sie hatten den gefährlichsten Abschnitt ihrer Reise hinter sich gelassen. Pater Anselm ließ haltmachen und ein Dankgebet sprechen. Eine beachtliche Herde braun-weißer Schafe beobachtete sie dabei misstrauisch, abgeschirmt von einem Bock, der immer wieder sein krummes Gehörn senkte. Die Lämmer dösten im Gras, das dunkelgrün und fruchtbar in der Au sprießte. Frau Kunigund blickte nicht ohne Neid zu den Tieren hinüber. Ihre Herde stand zwar weit schöner im Fell, aber ihre Anzahl wirkte mit eben dreißig Stück geradezu lächerlich gering.
    »Auf solchen Wiesen gedeihen

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