Die Wandersängerin: Historischer Roman (German Edition)
Messe im Freien stattfinden. In der Burgkapelle hätten auch schwerlich so viele Menschen Platz gefunden. Tatsächlich war der gesamte Adel der Umgebung der Einladung von Bertas Vater gefolgt. Entsprechend feierlich verlief auch die Schwertleite der jungen Ritter. Wie versprochen ließ es sich der Eckmühler nicht nehmen, dem Zweitgeborenen seines Nachbarn selbst Waffengurt und Sporen umzuschnallen. Und was für ein Schwert: Es hätte einem Fürsten gehören können. In den Griff waren Edelsteine eingelassen und das Wappen der Brennberger eingearbeitet. Die Klinge war aus fein getriebenem Metall, leichter als alles, was Arigund von den herkömmlichen Waffenschmieden kannte. Zudem wirkte sie etwas länger als die gängigen Modelle. Arigund lächelte zufrieden. Es gab nur einen Waffenschmied, der ein solches Kunstwerk schaffen konnte, Meister Eisenhut, und der hatte seine Werkstatt in Regensburg. Also hatte der Herr DeCapella Arigunds Bitte um Ausrüstung für Reimar doch entsprochen. Ihr Herz machte einen Hüpfer. Mit diesem Schwert in der Hand würde Reimar eine glänzende Figur abgeben, auch wenn er sich nicht mit Wirthos Kampfkraft messen konnte. Auch die Rüstung des jungen Ritters war neu und edel verarbeitet, wenn auch nicht ganz so aufwendig wie das Schwert. In die Schulterplatten war das Wappen der Brennberger eingraviert, so wie es üblich war. Arigund tauschte einen Blick mit Frau Kunigund. Die Frauen nickten sich zu und lächelten.
Als die zeremoniellen Feierlichkeiten endlich ihr Ende gefunden hatten, forderten die Herolde die Ritter zum unverzüglichen Einmarsch auf den »Stechplatz« auf. Arigund und die anderen Damen wurden von der Menge Richtung Tribüne geschoben, dabei hätte sie »ihrem« Ritter so gerne noch ein Wort mit in seinen ersten Kampf gegeben. Doch ihre leise Enttäuschung währte nicht lange. Nachdem der Turniervogt die Regeln verkündet hatte und die Mannschaften aufgeteilt waren, ritt Reimar zur Tribüne, öffnete das Visier seines Topfhelms und bat Arigund förmlich, aber mit strahlenden Augen um ihr Zeichen. Dem Mädchen schlug das Herz bis zum Halse, als sie sich das seidene Schmucktuch vom Hals fingerte und es an Reimars Lanze befestigte. Die Schwestern tuschelten und kicherten.
»Ich glaube du hast jetzt einen Minneritter«, gluckste Eustancia und erntete einen strengen Blick von Frau Kunigund. Auch für Magdalena fand sich ein Verehrer, der selbstbewusst um ihr Zeichen bat. Es war Cuno von Falkenstein, der gemeinsam mit Reimar heute zum Ritter geweiht worden war. Errötend übergab das Mädchen ihm einen kleinen Ring.
»Was für ein gutaussehender Junge«, meinte Arigund freundlich.
Magdalena winkte ab: »Leider erbt er nichts. Der alte Falkensteiner hat fünf Söhne; Cuno ist der dritte. Die Wahrscheinlichkeit, dass er mal die Erbfolge antritt, ist gering, und bis er sich ein Lehen erstritten hat, ist er bestimmt schon uralt.«
»Lieber ein warmer Herd als ein hübsches Gesicht!«, fasste Eustancia den Standpunkt ihrer Schwester zusammen. Zuweilen konnte Arigund über den Pragmatismus der beiden Mädchen nur den Kopf schütteln. Vermutlich waren sie einfach zu jung und hatten noch nicht erfahren, was wahre Liebe bedeutet. Fragt das Herz etwa nach Namen und Reichtum? Andererseits, wie viele Ehepaare – abgesehen von Großvater und Großmutter Zandt – kannte sie eigentlich, die reine und edle Liebe verband? Arigund erinnerte sich an ihren Vater und wie hungrig er die Thundorferin angestarrt hatte. War das wahre Liebe gewesen? War es vergleichbar mit dem, was seine Tochter für Reimar empfand? Arigund schüttelte den Kopf. Nein, das musste etwas anderes gewesen sein, etwas, das Arigund noch nicht zuordnen konnte, denn Reimar betrachtete sie nie mit besitzergreifenden Augen, sondern warf ihr lediglich bewundernde Blicke zu. Der Herr DeCapella hatte nur eine Frau geliebt: Anna Barbara Zandt. Die Verbindung mit Katharina war nur ein gutes Geschäft. Geld war zu Geld gekommen. Aber sie, Arigund, würde Reimar auch ohne Burg und Titel lieben. Sie war einfach nur glücklich, wenn sie mit ihm zusammen war.
Waffengeklirr und das Wiehern aufgeregter Pferde rissen das Mädchen aus seinen Gedanken. Das Turnier hatte begonnen, doch das Getümmel auf dem umzäunten Gebiet wirkte auf Arigund wie ein vollkommenes Durcheinander.
»Da schlägt ja jeder auf jeden ein«, meinte sie enttäuscht.
»Das sieht nur so aus«, klärte sie Magdalena auf. »Im Buhurt gibt es zwei Gruppen, die
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